Gütersloh (gpr). Bunte Rasseln werden aus dem Koffer genommen, das Schlagzeug-Becken liegt bereit und das leise Klopfen von Kinderhänden auf einer Trommel hallt durch den Raum – diese Szenen spielen sich in der Kita Teismannsweg zurzeit wöchentlich ab. Nämlich immer dann, wenn Musikpädagogin Ingeborg Vogt, Fachbereichsleitung „Elementares Musizieren“ der Musikschule für den Kreis Gütersloh e.V., mit ihrem Musikkoffer vorbeikommt, um gemeinsam mit den Kindern zu musizieren. Ihr wöchentlicher Besuch ist Teil des Projekts „EMU-Musikkoffer“, das die Stadt Gütersloh gemeinsam mit der Kreismusikschule in diesem Jahr zum zweiten Mal durchführt. Neben der Kita Teismannsweg nehmen an diesem zweiten Durchlauf insgesamt zehn weitere Kitas teil. Pro Einrichtung finden 12 Termine statt von jeweils 45 Minuten Dauer. Die Idee dahinter: Alle Kinder sollen im Sinne der Chancengerechtigkeit die Möglichkeit bekommen, erste Erfahrungen mit Musik zu machen – sei es in Form rhythmischer Bewegungen, Singen oder dem Spielen von Instrumenten.
Durchweg positive Resonanz nach dem ersten Durchgang 2022 – „Beim EMU-Musikkoffer kommt das Angebot zu den Kindern in die Kita, sodass alle Kinder niedrigschwellig daran teilnehmen können“, erklärt Bettina Kirchner, die als Fachberaterin der Stadt Gütersloh das Projekt mit ins Leben gerufen hat. „Ein klassisches Angebot der Musikschule würde viele Kinder nicht erreichen, weil die Eltern sie nachmittags noch dorthin fahren müssten. Mit dem Projekt versuchen wir, eine gewisse Chancengleichheit herzustellen.“ Einen ersten Durchlauf des Projekts gab es bereits im Jahr 2022, an dem die Hälfte der 22 städtischen Kitas teilgenommen hat. Weil die Resonanz so groß und durchweg positiv war, ist nun im August 2023 der zweite Durchgang mit der anderen Hälfte gestartet. Dabei können die Kitas sehr individuell mitbestimmen, wie die musikpädagogische Arbeit aussehen soll: Sie können sich sowohl für eines von vier Modulen mit unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten entscheiden, als auch die Größe und Zusammensetzung der Kindergruppe nach Alter oder anderen Kriterien festlegen. Die Kita Teismannsweg beispielsweise hat das zur Verfügung stehende Zeitkontingent auf zwei Gruppen aufgeteilt und sich für das Modul „Musik und Bewegung“ entschieden, da der überwiegende Teil der betreuten Kinder einen Migrationshintergrund hat und oft ohne Kenntnisse der deutschen Sprache in die Kita kommt. Hier unterstützt das Singen und Bewegen nicht nur die Sprachentwicklung, sondern auch die Körperwahrnehmung und die Motorik der Kinder.
Erzieherin und Musikpädagogin arbeiten im Tandem – „Für uns als Kita ist das Projekt wirklich ein Gewinn“, so Gülistan Arslan, Leiterin der Kita Teismannsweg. „Wir müssen eigentlich nur den Raum stellen. Ingeborg Vogt bringt dann alle Instrumente und Materialien mit.“ Gearbeitet wird im Tandem, je eine Musikpädagogin der Kreismusikschule und eine Erzieherin aus der Kita. So ist sichergestellt, dass die Kinder eine vertraute Person an ihrer Seite haben und die Inhalte auch langfristig nach Projektende im Kitaalltag weitergeführt werden können. Auch vonseiten der Musikschule gibt es viel positives Feedback zum Projekt. „Ich wurde hier mit offenen Armen empfangen“, erzählt Musikpädagogin Ingeborg Vogt begeistert. „Nach anfänglicher Skepsis sind die Kinder mittlerweile aufgetaut und freuen sich, wenn ich vorbeikomme. Das Vertrauensverhältnis sowohl zu den Kindern als auch zu den Erzieherinnen ist wirklich toll.“ Gülistan Arslan ergänzt: „Für manche Kinder war es zu Anfang sehr ungewohnt, weil sie noch keinerlei Berührungspunkte mit Musik hatten. Ingeborg Vogt schafft es aber, super auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Kinder einzugehen und so die Hemmungen spielerisch abzubauen. Hier merkt man auch, dass Ingeborg Vogt vom Fach ist und die Stunden mit ihrer Fachexpertise ganz anders begleiten kann.“
Mit Musik spielerisch den Wortschatz erweitern – Wie wichtig die musikalisch-ästhetische Bildung ist, zeigt auch ihre Verankerung in den Bildungsgrundsätzen des Landes NRW. „Musik fördert sowohl das Rhythmusgefühl, als auch die Kreativität und das soziale Miteinander der Kinder“, betont Bettina Kirchner. „Musik regt verschiedene Bereiche des Gehirns an und wirkt sich positiv auf die kognitive Entwicklung aus. Wir betreuen in unseren Kitas einen hohen Prozentsatz von Kindern mit Zuwanderungsgeschichte, deren Muttersprache nicht Deutsch ist. Lieder, Reime und Fingerspiele unterstützen die sprachliche Entwicklung der Kinder, sodass sie ganz nebenbei ihren Wortschatz erweitern. Das Projekt bietet außerdem die Möglichkeit, möglichst viele Kinder zu erreichen, die sonst nicht musikalisch gefördert würden. So können die Kinder auch für sich selbst herausfinden, ob sie Spaß am Musizieren haben.“
Das Projekt wird zum Ende des Jahres abgeschlossen. Alle Beteiligten sind sich einig, dass ein dauerhaftes Angebot des EMU-Musikkoffers eine große Bereicherung für die Kitas wäre, wie auch Guido Bolz, Leiter des Fachbereichs Tagesbetreuung von Kindern, betont: „Wir schauen zurzeit, ob es einen dritten Durchgang des Musikkoffers geben kann und versuchen, die nötigen finanziellen Mittel dafür aufzubringen“. Die Kosten des ersten und zweiten Durchgangs wurden aus Spenden finanziert.