Gütersloh (gpr). „Sie werden am Ende der Veranstaltung mit mehr Fragen als Antworten nach Hause gehen“: Das stellt Referentin Navina Engelage dem Publikum in Aussicht, das sich in der Volkshochschule Gütersloh (VHS) zusammengefunden hat. Gemeinsam über die Chancen europäischer Politik in Zeiten der Krise sprechen und kurz vor dem Europatag am 9. Mai und der Europawahl am 9. Juni die Bedeutung der Europäischen Union in den Blick nehmen: Dazu hat die VHS zusammen mit dem städtischen Fachbereich Zentrale Öffentlichkeitsarbeit und Repräsentation eingeladen. Navina Engelage, stellvertretende Leiterin des Gesamteuropäischen Studienwerks e.V. (Vlotho), steuert die Veranstaltung mit ihrer Expertise für Europapolitik und Internationale Beziehungen durch die ebenso spannende wie komplexe Materie. Schnell wird deutlich: Es ist kompliziert. Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, die wachsende Wählerschaft rechter Parteien in vielen EU-Ländern, womöglich eine erneute Präsidentschaft Donald Trumps, der Krieg in Israel und Gaza – die vielen Krisen der Welt wirken sich auf die EU aus, die abhängig ist von politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Entwicklungen ihrer Mitgliedsstaaten, aber auch der in Europa und der ganzen Welt.
„Diese Unaufgeräumtheit nehmen wir gerade wahr“, so Navina Engelage. Das spiegelt sich auch im Eurobarometer wider, einer in regelmäßigen Abständen von der Europäischen Kommission beauftragten repräsentativen Meinungsumfrage in den Ländern der EU. Mehr als 40 Prozent der Deutschen, aber auch der Europäerinnen und Europäer insgesamt gaben bei der Umfrage im vorigen Jahr an, kein Vertrauen in die EU-Regierung zu haben. „Das bedeutet, es gibt wenig Vertrauen in die Demokratie“, erläutert Engelage. Ein bedenkliches Signal.
Eine Frage, die Engelage auch an das Plenum stellt: Führen die aktuellen Krisen zu einem stärkeren Zusammenhalt der EU-Länder oder zu einer verstärkten Nationalisierung? Die Stimmen der Zuhörerinnen und Zuhörer sind verhalten, die Tendenz jedoch geht zum Zusammenhalt. Der Brexit allerdings hat gezeigt, dass die EU nicht mehr für alle Länder den Reiz ausstrahlt wie noch vor einigen Jahren. Die Einigkeit der 27 EU-Nationen scheint getrübt. Fest steht: Durch den Angriffskrieg Russlands ist die Europäische Union massiv herausgefordert. Engelage spricht von einem „Stellvertreterkrieg, durch den sich die Weltordnung verändern wird“. Die EU als Friedensprojekt scheint heutzutage aktueller denn je. Das bestätigt die Referentin auch mit ihren subjektiven Eindrücken aus der Arbeit mit Jugendlichen: „Früher haben die Jugendlichen vor allem Freiheit mit der EU verbunden – in jedem Land studieren und reisen zu können. Seit dem Ukraine-Krieg wird aber wieder vermehrt der Friedensgedanke betont.“
Am Ende diskutieren die Besucherinnen und Besucher noch einmal rege darüber, wie eine Einigkeit der EU hergestellt werden könnte und welche obersten Prinzipien für die EU-Nationen gelten sollten. Ein Zuhörer bringt es auf den Punkt: „Die EU-Länder müssen ein gemeinsames Ziel definieren, sonst stehen wir bald im Abseits.“ Einig sind sich alle darin, dass der Frieden die höchste Priorität haben sollte. Schließlich verabschiedet Navina Engelage sich mit dem Appell: „Gehen Sie wählen!“
Die VHS Gütersloh startet im Mai eine Veranstaltungsreihe zum Thema Europa. Unter dem Titel „Europa am Rande?“ werden europäische Themen aus Perspektiven marginalisierter Gruppen in Deutschland und Europa in den Mittelpunkt gerückt. Mehr Infos dazu finden Interessierte unter www.vhs-gt.de.