FOTO: ©STADTARCHIV: INGE FASSBÄNDER, MATTHIAS KIRCHHOFF, DOMINIQUE OSEA, BUSSE NIEMANN, DELIKATESSEN SCHENKE | TEXT: MATTHIAS KIRCHHOFF
Man glaubt es kaum - der Kolbeplatz ist 25 Jahre alt geworden! Und wenn man heute das emsige geschäftliche Treiben sieht und viele hundert Menschen erlebt, die den Platz täglich überqueren, ist es ist kaum vorstellbar, dass hier vor genau 105 Jahren noch Tennis gespielt wurde. Die Tennisplätze gehörten zum damaligen Hotel Barkey, das seinen Gästen damit nicht nur echten Luxus bot, sondern gleichzeitig auch Austragungsstätte vieler Tennis-Matches für den Tennis-Turnier-Club Gütersloh waren. Direkt daneben lag auch noch der große paradiesische Garten der Familie Kolbe – eine echte Oase mitten in der Innenstadt.
Wir vom CARL haben dieses Jubiläum zum Anlass genommen, in den Archiven gekramt und die Aussagen einer Zeitzeugin gefunden. Inge Faßbender, eine geborene Kolbe, die quasi im Kolbe-Garten, der ihren Eltern gehörte, aufgewachsen ist. Sie schwärmte davon, wie herrlich sich dort spielen ließ. 60 Obstbäume und über 400 Rosen ließen das über 2.000 Quadratmeter große Grundstück in tollen Farben erblühen. Inge Faßbenders Großvater baute dort sogar Gemüse an und selbst Tabak wurde für den Eigengebrauch gezogen.
Nach dem 2. Weltkrieg wandelte sich die Stadt. Sie wurde größer und moderner und im Zentrum entstanden die so sehr benötigten Parkplätze. So kam es nicht von ungefähr, dass 1975 der »Kolbe Garten« für 200 Parkplätze weichen mussten. Fortan hieß der Platz im Volksmund »Kolbeplatz«. Zwei Jahrzehnte später erhielt er dies auch als offizielle Bezeichnung.
Was uns vom CARL wirklich erstaunt hat, dass bereits Ende der 60er Jahre der Bebauungsplan für das Gebiet zwischen Berliner Straße, Strenger Straße, Kaiserstraße und Kökerstraße die Errichtung eines Parkhauses geplant war. Direkt unter einem 13-geschossigen Bertelsmann-Hochhaus. Der Plan sah auch einen Fußgängertunnel sowie zwei Plätze und verschiedene Wohn- und Geschäftshäuser vor. Letztendlich wurde der Bereich aber erst einmal ausschließlich als zentraler Parkplatz und als Weg in die Innenstadt genutzt.
Vom Bahnhof aus lief man Richtung Innenstadt am »Stadttheater« vorbei, das wohl bekannteste Kino, in dem viele Gütersloher ihr erstes Kinoerlebnis hatten. Ein großer Balkon, der auch als Raucherloge genutzt werden konnte, bot Wohnzimmeratmosphäre pur. Nach dem Kinobesuch ging es dann meistens direkt zu Hallmann, einer wirklich rustikalen Pommesbude, teils mit Spanplatten beschlagen, in der man von Urgestein »Erna« die beste Bratwurst der Stadt oder den berühmten »halben Hahn« bekam. Die berühmte Manta-Platte gab es dort natürlich auch. Wer Erna noch kannte, weiß, dass die Kundeansprache kurz und knapp war, bestehend aus nur aus einem Wort: »Nächster«.
In den 80er Jahren wurde im Rathaus eine Neugestaltung des Platzes beschlossen, um die »Hinterhofatmosphäre« zu beseitigen. Die Bauabnahme für das erste Gebäude, das von der Spielhalle »Manhattan«, die heute dort noch ansässig ist, gemietet wurde, war schon 1987. Ursprünglich war auf dem Dach ein Swimmingpool geplant, was allerdings nicht umsetzbar war.
1989 wurde dann das Textilhaus Klingenthal (mit eigener Tiefgarage) angesiedelt und 1990 eröffnete die Schenke-Filiale am Kolbeplatz. Hier wurden anfänglich nur Delikatessen angeboten. Darüber hinaus war ebenfalls die Entstehung weiterer Geschäfts- und Wohnhäuser, die Erweiterung der »Museumsinsel« und die Anpflanzung von Bäumen vorgesehen.
1994 gewann der Wiener Architekt Professor Rob Riener den von der Stadt ausgeschriebenen Wettbewerb für die Bebauung des Kolbeplatz. Ende der neunziger Jahre musste dann der so beliebte Parkplatz dem Bau der Tiefgaragenerweiterung mit 232 Stellplätzen weichen und damit die endgültige Bebauung des Platzes. Was im Übrigen durch private Investoren finanziert wurde.
PARKHAUSERWEITERUNG KOLBEPLATZ
Der Kolbeplatz entwickelte sich danach mit zahlreichen Geschäften und kleinen Cafés zu einem weiteren attraktiven Anlaufpunkt in der Gütersloher Innenstadt. Auch ein kleines historisches Highlight ist dabei: Das Museumscafé hinter dem Stadtmuseum. Bestehend aus zwei kleinen Fachwerkhäuschen, in denen sich das Café befindet, welche bis zum Jahr 2000 noch in der Mauerstraße standen. Sie wurden aufwändig umgesetzt. Eines davon zog sogar komplett auf einem Tieflader um. In unmittelbarer Nähe befindet sich die Statue von »Güths Mariechen«, einer bodenständigen Gütersloher Marktfrau, die von 1875 bis 1952 lebte. Viele kleine Anekdoten halten die Geschichte der stadtbekannten Marktfrau bis heute lebendig. Es gibt sogar eine ganze Stadtführung rund um »Güths Mariechen«.
Der Kolbeplatz entwickelte sich sogar zur Kulisse für zahlreiche Veranstaltungen. Zunächst ganz klein: In einer Holzbude bot Delikatessen Schenke – übrigens unter der Regie von Matthias Kirchhoff, damals Marktleiter der Schenke-Filiale am Kolbeplatz und heute Herausgeber des Magazins CARL – Zwiebelkuchen und Federweißer an und veranstaltete als Schenke verantwortlicher einen Geranienmarkt. Und wer es noch nicht weiß, die kleine Holzbude war der Vorläufer, der später immer größer werdenden Veranstaltung, dem lange Jahre zu Pfingsten stattfindenden Weinmarkt.
Winzer aus ganz Deutschland, boten bei Livemusik ihre edlen Weine an und Gütersloher Gastronomen, wie Delikatessen Schenke, das Brauhaus und das Parkhotel, sorgten für kulinarische Genüsse. In der Innenstadt herrschte jedes Mal Hochstimmung mit südländischer Atmosphäre.
Einige Jahre gab es in der Winterzeit auf dem Kolbeplatz etwas ganz Besonderes. Eine große Eisbahn, auf der Schlittschuhlaufen und Eishockeyspielen angesagt war – das absolute Highlight zur Weihnachtszeit. Den exakten Gegensatz gab es 2014. Da sorgte die so genannte Kolbeplatz-Oase für Strandgefühle und begeisterte die Gütersloher. Ein großartiges Projekt, das von der damaligen Agentur »GTownMusic und dem frisch an den Start gegangenen »Magazin Carl« erdacht und von Ehrenamtlichen sowie Sponsoren getragen wurde. Mit Europaletten wurde ein Großteil des Platzes eingezäunt und mit 27 Tonnen feinstem Sand befüllt. Olivenbäume, Palmen, »Carl-Strandstühle« hinein – fertig war der Beach in the City.
Einmal in der Woche gibt es Gelegenheit, auf dem Wochenmarkt frisches Obst und Gemüse einzukaufen. Und auch sonst ist der Kolbeplatz mit seiner abwechslungsreichen Gastronomie gut frequentiert und damit zum zweiten zentralen Platz der Stadt geworden. Dafür sorgen nicht zuletzt erfolgreiche Konzepte, wie das Restaurant »Bankery,« die mediterrane »Bar Celona«, das »Grown Coffee«, das Bistro »Maries« oder die Bäckerei Glasenapp. Dazu kommen zahlreiche Arztpraxen sowie die »Optikerei Dodt«, die zu einer der ersten am Platz gehört, und ebenfalls 25jähriges Jubiläum feiert.
FÜR DIE ZUKUNFT DER STADT
Mit der Fertigstellung der beiden letzten Häuserblöcken IV und V, durch Architekt Walter Hauer, wurde die Lücke am Kolbeplatz Richtung Hauptbahnhof geschlossen. Die so neu geschaffene Dienstleistungs- und Geschäftsmeile, mit vielen kleinen Läden und Restaurants, hat die City weiter aufgewertet und einen wichtigen Schritt zur Belebung der Innenstadt getan. Dazu tragen auch moderne Ladenlokale wie »Intersport Finke« einen großen Teil zu bei. Wir vom Carl finden auch, dass sich Gütersloh in Sachen moderner Bebauung nicht hinter anderen Städten verstecken muss. In den letzten 25 Jahren habe sich hier in Sachen moderner Architektur sehr viel getan.
Hier sollte man nicht unerwähnt lassen, dass die Finanzierung der Kolbeplatz-Bebauung in Teilen durch private Investoren erfolgt ist, die ein starkes Quartier mit hoher Aufenthaltsqualität geschaffen haben. Die Ladengeschäfte in den Erdgeschossen und die Arztpraxen in den ersten Etagen sorgen für mehr Kundenfrequenz. Über 50 Prozent der Gebäudefläche sind schicke Wohnungen.
Denn der Trend geht wieder zum Leben in der Innenstadt. Den Kolbeplatz sehen wir als langfristige Investition in die Zukunft der Stadt. Dazu zählt auch, dass die Parkzeiten in der modernen Tiefgarage auf 24 Stunden ausgeweitet wurden. Wenn möglich, sollte die Stadt weitere Möglichkeiten schaffen, um die Erreichbarkeit Güterslohs mit dem öffentlichen Nahverkehr noch leichter zu machen. Denn es sollte Spaß machen, nach Gütersloh zu kommen. Der Kolbeplatz trägt auf jeden Fall dazu bei!