TEXT UND BILDER: MIELE
Fast auf den Tag genau vor 125 Jahren, am 1. Juli 1899, machen sich der Techniker Carl Miele sen. und der Kaufmann Reinhard Zinkann auf den Weg zum Amtsgericht, wo sie ihr neues Unternehmen Miele & Cie. eintragen lassen wollen. Milchzentrifugen wollen sie produzieren, obwohl an entsprechenden Angeboten schon damals kein Mangel herrscht. So müssen sie sich entscheiden: Wollen sie billiger sein als die anderen – oder besser? Miele und Zinkann erklären „Immer Besser“ zu ihrem Anspruch, der das Unternehmen nachhaltig prägt. Heute zählt Miele zu den angesehensten deutschen Marken, mit mehr als 22.000 Beschäftigten in 49 Ländern und 4,96 Mrd. Euro Umsatz. Ein Streifzug durch 125 Jahre Qualität und Erfindergeist – und den Willen, Wandel aktiv zu gestalten.
Die ersten Spuren des Unternehmens finden sich im ostwestfälischen Herzebrock. Genauer: in einer ehemaligen Kornmühle mit zunächst elf Mitarbeitern. Ergänzend zur Milchzentrifuge „Meteor“ kommt 1900 die gleichnamige Buttermaschine hinzu – und 1901 präsentieren Carl Miele sen. und Reinhard Zinkann die erste Miele Waschmaschine.Wie schon die Buttermaschine, besteht auch diese aus einem runden, allerdings größeren Holzbottich. Darin befindet sich ein Drehkreuz, das zunächst über einen Hebel bewegt werden muss. 1907 zieht Miele um nach Gütersloh, weil es dort mehr Arbeitskräfte gibt und ein Gleisanschluss die Anlieferung der rasant wachsenden Mengen an Holz enorm erleichtert. Denn die Auftragslage der jungen Firma entwickelt sich über alle Erwartungen positiv.
Bild: Lina Zinkann, Katarhina Miele, Carl Miele Senior und Reinhard Zinkann (V.L.) anlässlich des 25 Firmenjubiläum auf dem Werksgelände in Gütersloh, 1924.
Was nun folgt, ist ein Stück deutscher Industriegeschichte. Es umfasst viele Erfolge und Pionierleistungen, aber auch Irrtümer und mutige Kurskorrekturen, ohne die es Miele heute vermutlich nicht mehr geben würde. Ebenso ist es die Geschichte von zwei Unternehmerfamilien, denen Miele bis heute vollständig gehört. Es geht um langfristiges Denken und Handeln, den Anspruch, alle Investitionen mit eigenem Geld zu bezahlen und die Notwendigkeit, sich auch schwierigen Entscheidungen zu stellen.
Bild: Das Fabrikgelände („Nöllmannsche Mühle“) in Herzebrock, 1903.
Gelebte soziale Verantwortung
Schon früh zeigt sich die gelebte soziale Verantwortung – zum Beispiel 1909 mit einer der ersten Betriebskrankenkassen in Deutschland oder im Jahr 1929 mit den ersten Modellen einer betrieblichen Altersversorgung. Beim Schutz von Umwelt und Klima gilt Miele ebenfalls als vorbildlich, angefangen mit der sprichwörtlichen Langlebigkeit der Geräte. Heute stehen vor allem die Energieeffizienz und Recyclingfähigkeit der Geräte sowie die Nutzung und Erzeugung regenerativer Energien an den Standorten im Fokus. Auch dies treibt Miele mit größtem Nachdruck weiter voran, ausgezeichnet etwa durch den Deutschen Nachhaltigkeitspreis in den Jahren 2014 und 2024.
Bild: Arbeiter auf der Laderampe eines Eisenbahnwagons nach dem Umzug nach Gütersloh.
Miele ist »Größte Spezialfabrik«
Aber der Reihe nach. Bereits 1914 ist die Zahl der Beschäftigten auf mehr als 500 gestiegen und Miele nennt sich „Größte Spezialfabrik Deutschlands für Milchzentrifugen, Buttermaschinen, Wasch-, Wringund Mangelmaschinen“. Ab 1912 baut Miele sogar 143 Automobile, gibt diesen Zweig jedoch 1914 wieder auf. Die Gründer ahnen, dass der Versuch, auch hier mithalten zu wollen, das junge Familienunternehmen finanziell überfordern würde. Das wohl letzte noch existierende Miele-Auto wird viele Jahrzehnte später nach einem weltweiten Suchaufruf in einer Scheune in Norwegen gefunden. Heute steht es im Gütersloher Firmenmuseum.
Bild: Ein Miele Auto in den 1910er Jahren, am Steuer der Ingenieur Oskar Klemm, neben Ihm ein prominenter Beifahrer: Firmengründer Carl Miele Senior.
In jener Zeit, 1916, entsteht in Bielefeld das zweite Werk, wo Miele seine ersten Elektromotoren und später die legendären Fahrräder, Mopeds und Motorräder produziert. Ende der 1920er-Jahre verlässt in Gütersloh die 500.000. Waschmaschine das Werk. Aus Bielefeld kommen die ersten Staubsauger sowie im Jahr 1929 Europas erster elektrischer Geschirrspüler. Der systematische Aufbau eines Filialnetzes in Deutschland beginnt. 1931 startet in der Schweiz die erste Vertriebsgesellschaft außerhalb Deutschlands.
Bild: Fahrradproduktion bei Miele & CIE. In Bielefeld, undatiert.
Generationswechsel in schwieriger Zeit
Den ersten Generationswechsel gibt es in den späteren 1930er-Jahren. Damit liegt es in der Verantwortung der Gründersöhne Carl Miele jun. und Kurt Christian Zinkann, das Unternehmen durch die Zeit des Zweiten Weltkriegs zu führen. Verbunden ist dies auch mit der Produktion von Munition und dem Einsatz von Kriegsgefangenen sowie Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern. Der Wiederaufbau der Werke nach dem Krieg und die Rückkehr zur zivilen Produktion obliegt ebenso der zweiten Generation. Die näheren Details zur Rolle des Unternehmens in den Jahren 1933 bis 1945 sind 2023 wissenschaftlich aufgearbeitet und als Buch veröffentlicht.*
Bild: Carl Miele Junior (L.) und Kurt Christian Zinkann im Rahmen des 50. Firmenjubiläum, 1949.
Von der Landwirtschaft in die Haushalte
Doch wie passen Milchzentrifugen, Waschmaschinen, Fahrräder und Mopeds zueinander? Und dazu Geräte zur Aufbereitung von Viehfutter („Futterdämpfer“), Leitern, Bollerwagen, und später Küchenmöbel, Herde, weitere Kochgeräte und vieles mehr? Tatsache ist, dass Carl Miele sen. und Reinhard Zinkann 1899 mit dem Anspruch gestartet waren, den Menschen in der Landwirtschaft ihren anstrengenden Alltag bestmöglich zu erleichtern. Dann jedoch verlieren die Landwirtschaft und der Landmaschinenhandel als Absatzkanal an Bedeutung – und Miele fokussiert sich schrittweise auf hochwertige Elektrogeräte für die Küche, Wäsche- und Bodenpflege. Hinzu kommen Wäschereitechnik (1924) und später das gewerbliche Geschirrspülen sowie Reinigung, Desinfektion und Sterilisation für medizinische Einrichtungen und Labore (Heute: Business Unit Professional).
Bild: Der Miele W420 Deluxe der erste Deutsche Waschvollautomat mit der Ein-Knopf Automatik zieht bei der Präsentation um 1962 alle Blicke auf sich.
Von Gütersloh in die Welt
Diese Weichenstellungen fallen in die Zeit der Gründerenkel Rudolf Miele und Dr. Peter Zinkann. Beide kommen Mitte der 1950er-Jahre ins Unternehmen und werden es über fünf Jahrzehnte gemeinsam prägen, ehe Rudolf Miele Mitte 2004 plötzlich verstirbt und Peter Zinkann am Ende jenes Jahres die Geschäftsleitung verlässt.
Anders als bei den Vätern und Großvätern ist Rudolf Miele der Kaufmann – und steht unter anderem für die konsequente Internationalisierung der Vermarktung. Die erste Vertriebsgesellschaft außerhalb Europas wird 1980 in Australien gegründet, gefolgt von Südafrika (1982), den USA (1983) und Japan (1992). Peter Zinkann verantwortet die Entwicklung und Produktion, darunter des ersten eigenen Waschvollautomaten, der 1958 in Serie geht. In den 1960er-Jahren erhalten die Waschmaschinen und Trockner von Miele elektronische Steuerungen. 1987 folgt die legendäre Miele Besteckschublade für den Geschirrspüler und 2001 die Miele Schontrommel, beides patentgeschützt und damit exklusiv bei Miele.
Bild: „Immer besser“ heißt, mit Engagement scheinbar unmögliches möglich zu machen. 1983 schaffte es eine Miele Waschmaschine auf die Badener Hütte in den österreichischen Alpen in mehr als 2600 Metern Höhe.
Boom bei Geschirrspülern
Währenddessen gibt Miele 1960 in Bielefeld die Produktion von Zweirädern auf. Beflügelt vom Wirtschaftswunder, setzt man fortan mit derselben Belegschaft auf den Geschirrspüler, als sich dieser in privaten Küchen immer weiterverbreitet. Seine Melktechnik verkauft das Unternehmen in den späten 1980er-Jahren und die Produktion von Küchenmöbeln im Jahr 2005. Im Gegenzug macht das Unternehmen die Kücheneinbaugeräte zur weiteren zentralen Säule. Hierbei hilft etwa 1987 der Kauf der Firma Cordes, Hersteller von Wäschepflegegeräten in Oelde, aus dessen Werk später das Kompetenzzentrum für Herde und Backöfen entsteht. Zwei Jahre später übernimmt Miele den Kochgerätehersteller und langjährigen Zulieferer Imperial mit Werken in Bünde und Arnsberg. In den 1990er-Jahren folgen Weltneuheiten wie der erste Einbaudampfgarer, der erste drucklose Dampfgarer für den Haushalt sowie der erste Einbaukaffeevollautomat.
Bild: 1968 die spektakuläre Beweisführung das ein Miele Geschirrspüler sich nicht einmal an einer Buttercremetorte verschluckt
Geschäftsleitung neu aufgestellt
Im letzten gemeinsamen Jahr der beiden kongenialen Partner (2004) zählt Miele 2,2 Mrd. Euro Umsatz, 15.100 Beschäftigte, 11 Produktionsstandorte (davon drei außerhalb Deutschlands) sowie eigene Vertriebsund Servicetöchter in 34 Ländern. Zu jener Zeit sind die Söhne Dr. Markus Miele und Dr. Reinhard Zinkann bereits Mitglieder der Geschäftsleitung. Der zunehmenden Größe und Komplexität des Unternehmens geschuldet, teilen sich die beiden die Verantwortung nun aber gleichberechtigt mit familienunabhängigen Geschäftsführern. Die folgenden Jahre sind maßgeblich geprägt durch die rasant wachsende Bedeutung der digitalen Vermarktung sowie der smarten Geräteservices. Die neuen Gerätegenerationen begeistern aber auch durch zeitlose Eleganz, vorbildliche Performance und Energieeffizienz.
Bild: Markus Miele und Reinhard Zinkann auf dem Dach des Firmengeländes des Gütersloher Hauptwerks.
Auf der IFA 2017 steigt die Messeweltpremiere des revolutionären Dialoggarers, der elektromagnetische Wellen mit den klassischen Garmethoden des Backofens kombiniert, den Garzustand permanent misst und nachjustiert. Im selben Jahr stellt sich das Unternehmen auch strategisch breiter auf, etwa durch Gründung der Miele Venture Capital GmbH und Übernahme des italienischen Medizintechnikspezialisten Steelco Group. Mit dem Kauf des Düsseldorfer Barbecue-Spezialisten Otto Wilde Grillers im Jahr 2021 gelingt der Einstieg in das potenzialträchtige Geschäftsfeld Outdoor Cooking.
Bild: Markus Miele und Reinhard Zinkann auf dem Dach des Firmengeländes des Gütersloher Hauptwerks.
Für die Kunden und die Umwelt
Für die Kunden und die Umwelt Im Sommer 2024 feiert Miele zusammen mit den Beschäftigten in aller Welt 125 Jahre Qualität und Innovation im Dienst der Kundinnen, der Kunden und der Umwelt. Aus den elf Mitarbeitern im ostwestfälischen Herzebrock ist ein weltweites Team von mehr als 22.000 Kolleginnen und Kollegen geworden. Die Herausforderungen in der Welt sind Anfang der 2020er-Jahre groß. Diese reichen vom Umgang mit der Pandemie bis zu den wirtschaftlichen Folgen des Ukrainekriegs, mit einem weltweiten Einbruch der Nachfrage nach Hausgeräten sowie sprunghaft gestiegenen Kosten in nahezu allen Bereichen.
Ziel ist, die Zeichen wieder auf Wachstum zustellen. Hierfür kann Miele auf seine starke Marke bauen, auf einen in der Branche einzigartigen Premium- und Qualitätsanspruch, begeisternde Produkte und engagierte und kreative Teams in 49 Ländern – und auf seine Fähigkeit, in herausfordernden Zeiten die richtigen, bisweilen schwierigen Entscheidungen zu treffen. Auch das haben die zurückliegenden 125 Jahre immer wieder gezeigt.
Das gewisse Etwas
Mit fast 50 eigenen Vertriebsgesellschaften und Importeuren in vielen weiteren Ländern ist Miele weltweit präsent. Als Partner zukunftsorientierter Projektentwickler und Architekten ist das Unternehmen außerdem dabei, wenn außergewöhnlicher Wohnraum entsteht. Denn hochwertige Haus- und Einbaugeräte können ihren Teil dazu beitragen, urbanes Leben nachhaltig zu bereichern.
Bild: Wald erobert den Himmel: In Australien entsteht das Gebäude „Urban Forest“ mit höchsten Ansprüchen in puncto Nachhaltigkeit – und rund 1000 Miele Geräten.