Gütersloh (lwl). Das LWL-Zentrum für Rehabilitation Ostwestfalen – Bernhard-Salzmann-Klinik hatte am Donnerstag (21.11.) Fachpublikum und Betroffene zu ihrer jährlichen Fachtagung nach Gütersloh eingeladen. Träger der Klinik ist der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL). Mit 150 Fachleuten war die Tagung zum wiederholten Mal ausgebucht.
Schwerpunkt der Tagung war in diesem Jahr die zeitgemäße Behandlung von suchtkranken Menschen, die gleichzeitig noch mindestens eine weitere psychische Erkrankung aufweisen – eine sogenannte komorbide Störung. Dabei wurden die drei psychischen Störungen Psychose, ADHS sowie Borderline-Persönlichkeitsstörung jeweils in Kombination mit einer Suchterkrankung genauer beleuchtet.
Außer Fachvorträgen von renommierten Referent:innen zu den Krankheitsbildern, gab es Workshops und eine abschließende Runde mit den Fachleuten. Vermittelt wurden Therapiekonzepte, die sich in der Praxis bereits bewährt haben. Zudem sprachen die Teilnehmenden über Diagnostik, Therapieplanung, Beratung betroffener Menschen und welche Herausforderungen die Behandlung von Doppeldiagnosepatient:innen birgt.
“Zwei von den fünf Workshops leiteten Kolleg:innen aus unserer Klinik, um die in Gütersloh bereits praktizierten Konzepte zur Behandlung von Menschen mit Trauma und Sucht und von Menschen mit Verhaltenssucht in Kombination mit Substanzabhängigkeit vorzustellen”, erklärte Chefärztin Dr. Christiane Rasmus. “Eine Führung durch die Klinik gibt den Gästen zudem einen atmosphärischen Eindruck der hiesigen Arbeit und lädt zu künftiger guter Zusammenarbeit ein.”
Auch Expert:innen aus anderen Suchtrehablitationskliniken bereicherten die Fachtagung: Helmut Kockmann, Diplom-Sozialarbeiter und Suchttherapeut, berichtet eden Teilnehmenden von der besonderen Organisation, mit der sich die Fachklinik Nettetal auf die Behandlung von Doppeldiganose-Patient:innen mit einer Psychose und einer Suchterkrankung eingestellt hat.
Dr. Tina Behrouzi, Fachklinik Kamillushaus Essen, schilderte, warum eine unbehandelte ADHS-Erkrankung das Risiko für eine Sucht maßgeblich erhöht. “Deshalb ist es besonders wichtig, ADHS früh zu erkennen und zu behandeln”, betonte Behrouzi.
Hintergrund
Die Tagung fußte thematisch auf wissenschaftlichen Untersuchungen der vergangenen Jahre, die gezeigt haben, dass die integrierte Therapie einer Suchterkrankung und einer komorbiden psychiatrischen Erkrankung weitaus erfolgsversprechender ist als beide Erkrankungen getrennt voneinander, beziehungsweise nacheinander zu behandeln.
Daraus ergibt sich nicht nur die Notwendigkeit des zusätzlichen Kompetenzerwerbs für die Therapeut:innen, oft bedarf es auch Veränderungen der gesamten therapeutischen Umgebung. “Eine parallele Behandlung ist der Goldstandard”, betont Ulrike Dickenhorst, Therapeutische Leiterin der Bernhard-Salzmann-Klinik. “In einigen Köpfen ist nur leider immer noch die mittlerweile längst überholte Lehrmeinung verankert, dass erst die Sucht und dann die anderen Krankheitsbilder behandelt werden sollten”, so Behrouzi.
Seit mehr als 30 Jahren findet die Fachtagung jährlich im November statt und bietet für Akteure im Suchtbereich sowie interessierte Betroffene und Angehörige aus Nordrhein-Westfalen und den angrenzenden Regionen die Chance auf fachlichen Diskurs, inhaltlicher Weiterentwicklung und Netzwerkarbeit.