Gütersloh. „Wir sind die Hüter des Landes. Wir tragen die Verantwortung für dieses Stückchen Planet.“ Aus dieser Überzeugung heraus haben Renate und Rainer Bethlehem auf ihrem „Acker“ in Isselhorst über 35 Jahre ein 8000 Quadratmeter großes Paradies geschaffen. Einen vielseitigen Lebensraum für Mensch und Tier. Natur- und Artenschutz, Biodiversität, nachhaltige Bewirtschaftung, der Erhalt alter Kulturpflanzen und Obstsorten sind für sie Leidenschaft und Selbstverständlichkeit zugleich. Und sie teilen ihr Wissen, öffnen ihr Paradies für andere. Ehrenamtlich bieten sie Aktionstage an, mischen auf vielfältige Weise Naturerfahrungen mit Pädagogik und sozialem Einsatz – unter anderem für Kinder suchtkranker Eltern. Sie engagieren sich im Ökowerk des Isselhorster Dorf- und Heimatvereins sowie im Imkerverein, sind Mitinitiatoren der Umweltstiftung Gütersloh, betreuen die Streuobstwiesen am Pastorengarten und auf Mumperows Hof und setzen dabei immer auf ein generationsübergreifendes Miteinander. „Mit anderen zu teilen, ist doch die schönste Art zu ernten“, sagen die Bethlehems. Diese vorbildliche und verbindende Art gelebter Wertschätzung von Mensch und Natur hat die Bürgerstiftung Gütersloh jetzt mit dem „BürgerPreis“, ihrem mit 5000 Euro dotierten Engagementpreis, ausgezeichnet.
In einer launigen, vom Markus-Strothmann-Trio musikalisch bestens umrahmten Feierstunde in der Weberei überreichten der Kuratoriumsvorsitzende der Stiftung, Dr. Reinhard Zinkann, und die Vorstandsvorsitzende Katrin Meyer den gläsernen Award samt Urkunde und Blumen an die strahlenden Preisträger. „Renate und Rainer Bethlehem gehören zu den eher stillen Helden des Alltags. Umso wichtiger ist es, ihrem überragenden Engagement über Jahrzehnte mit dieser Auszeichnung die gebührende Anerkennung zukommen zu lassen“, betonten Dr. Zinkann und Meyer.
Es sei weit mehr als eine Leidenschaft, wenn Menschen ihre Überzeugung derart konsequent lebten. „Das ist schon eine innere Haltung“, lobte Laudator Reinhard Kollmeyer, als Vorstandsmitglied beim Kinderschutzbund Kreisverband Gütersloh ein langjähriger Weggefährte der Bethlehems. Ihr „Faba-Naturprojekt“ (Familien in Balance) ist dort angedockt.
2007 hatte das Paar die Idee dazu. Denn Rainer Bethlehem ist nicht nur Garten- und Landschaftstherapeut, er ist auch Fachkrankenpfleger für psychiatrische Pflege. Seine Frau Renate Krankenschwester und Familientherapeutin. Beide haben in Bethel gearbeitet und wissen daher, wie belastet Kinder aus Familien mit einer Sucht- und/oder psychischen Erkrankung sind. Sie durch begleitetes Naturerleben, durch Gartentätigkeiten, den Umgang mit Tieren und Naturmaterialien zu stärken, sie wieder ins seelische Gleichgewicht zu bringen, ihnen Werte und Verlässlichkeit zu vermitteln, war und ist das Ziel von Faba.
Ein Erfolgsprojekt – seit 17 Jahren. „Wir hätten dieses wissenschaftlich evaluierte Konzept gern auch an anderen Standorten in NRW aufgezogen“, sagt Projektleiterin Renate Bethlehem. Was fehlt, ist Geld für einen Kümmerer auf Landesebene. So sehr die Beiden das auch bedauern, ihr Engagement lähmt das nicht, weder bei Faba noch bei anderen Projekten. Ob es um Minigärten in Holzkisten für Flüchtlinge geht, um Abenteuer auf der Streuobstwiese für Kinder, um Apfeltage samt Mosten für die Naturschule, um Igel-Überwinterungsmöglichkeiten oder um Steinkauz-Nistkästen – sie machen’s möglich. Und selbst im künstlerischen Rahmen war Rainer Bethlehem schon aktiv: Zusammen mit Bewohnern der Isselhorster Seniorenheime und Kita-Kindern schuf er für Nirgüls Kunstaktion „Europas Künstlerweg“ Wildbienen-Nisthilfen in Form einer Europaflagge. Eine Idee, die über Güterslohs Grenzen hinaus nun auch vom Imkerverband in Belgien aufgenommen wurde.
Es sei imponierend, mit welch mitreißender Begeisterung und stets im Bewusstsein der Wichtigkeit sozialer Beziehungen, die Bethlehems sich und ihr Paradies immer wieder – auch für Andersdenkende – öffnen, wie sie neue Ideen realisieren und Impulse setzen. „Euer Handeln ist authentisch, ohne missionarischen Eifer und erhobenen Zeigefinger. Die Welt wäre ein besserer Ort, gäbe es mehr Menschen wie Euch“, schloss Kollmeyer.
Was das sympathische Paar sich wünscht? „Dass wir noch ein bisschen durchhalten und genießen können, was da in 35 Jahren alles herangewachsen ist – auf unserem Acker und darüber hinaus.“ Und ein letzter Tipp von den BürgerPreis-Trägern: „Fangt früh genug an, etwas zu gestalten. Es ist wichtig, ein guter Vorfahr zu sein.“