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Diskurs über die Erinnerungskultur rund um den Nationalsozialismus

Großes Interesse an neunter Geschichtswerkstatt in der Holtkämperei

Gütersloh (gpr). Rund 30 Interessierte haben Anfang der Woche den Weg nach Isselhorst gefunden, in die Holtkämperei, zur ersten Geschichtswerkstatt des Jahres, um sich kritisch mit der Erinnerungskultur rund um den Nationalsozialismus auseinanderzusetzen. Als Experten waren die Historiker Markus Grafenschäfer und Dr. Philipp Erdmann, stellvertretender Leiter des Stadtarchivs Münster, geladen. Organisiert hatte die Geschichtswerkstatt der Fachbereich Kultur der Stadt Gütersloh in Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv, als Gastgeber trat der Dorf- und Heimatverein Isselhorst auf. Die denkmalgeschützte Holtkämperei, Baujahr 1623, bot dabei den attraktiven Rahmen.

Reger Austausch erwartete die Teilnehmer der 9. Geschichtswerkstatt in der Holtkämperei in Isselhorst, organisiert vom städtischen Fachbereich Kultur und dem Stadtarchiv. Die Leiterin des Stadtarchivs, Julia Kuklik (hinten rechts), führte durch den Abend und regte zur Diskussion an. Foto: Henrich Schröder, Dorf- und Heimatverein Isselhorst e.V.

Historiker Markus Grafenschäfer war per Zoom zugeschaltet und stellte seine Masterarbeit zum erinnerungskulturellen Hintergrund von Straßennamen vor. Seine Erkenntnisse zieht der inzwischen als Redaktionsvolontär bei der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung im Rheinland beschäftigte Historiker aus einer Erhebung aus dem Jahr 2023, in der er die Funktion von Straßennamen am Beispiel Gütersloh untersuchte. Demzufolge sieht der Historiker noch Luft nach oben, das Potenzial von Straßennamen weiter zu aktivieren, zum Beispiel in Form von Schulprojekten. Auch das 2023 ins Leben gerufene Straßennamen-Onlineportal könne in dieser Hinsicht gute Dienste leisten, denn: „Erst indem wir Dinge ansprechen, können wir sie ändern“, so der Historiker. Die anschließende Diskussion unter den Anwesenden machte deutlich, dass dieses Thema aktuell sehr bewegt. Eckhart Möller appellierte an die Heimatvereine, als Vorschlagsberechtigte ihre Verantwortung mehr wahrzunehmen und Vorschläge für künftige Benennungen kritisch zu reflektieren.

 

Im Anschluss referierte Dr. Philip Erdmann vom Stadtgeschichte-Team zu den unterschiedlichen „Erinnerungskulturen“ in der Gütersloher Stadtgesellschaft. So müsse die jeweilige Erinnerungskultur in ihrem zeitlichen, aber auch gesellschaftlichen Kontext betrachtet werden. Dies werde schon allein daran deutlich, dass man heute von Erinnerung spreche, früher aber das Wort „Bewältigung“ gängig gewesen sei. Auch im Nachgang zu diesem Vortrag entspann sich ein angeregtes Gespräch. Daniel Droste vom Heimatverein Isselhorst machte sich dafür stark, dass jede Generation ihr Recht darauf habe, den Rahmen für ihre Erinnerungskultur nach dem jeweiligen wissenschaftlichen Kenntnisstand neu zu bewerten. Auch äußerte er Zweifel am didaktischen Wert von Straßennamen, „dafür gäbe es andere, wirkungsvollere Methoden“, so Droste, „ansonsten hätten wir heute lauter Adolf-Hitler-Straßen.“ Die Stadtarchivarin Julia Kuklik hob in diesem Zusammenhang den Mehrwert der Richtlinie für die Umbenennung von Straßennamen hervor, die eindeutige Kriterien an die Hand gebe, wie bei einer Umbenennung zu entscheiden sei.

 

Auch der Heimatverein Isselhorst kam zu Wort und stellte Aktuelles aus dem Vereinsleben vor. Unter anderem arbeite man derzeit an zwei Publikationen und habe den „Isselhorster“ digitalisiert. Auch möchte man mehr die vergangenen 25 Jahre ins Bewusstsein rücken, so Dr. Siegfried Bethlehem, Abteilungsleiter des Bereichs Geschichte und Kultur und gemeinsam mit Karl Rohlfs Archivbeauftragter des Heimatvereins, insbesondere, da im nächsten Jahr Isselhorst den 975. Jahrestag der Ersterwähnung feiert.

 

Historiker Dr. Franz Jungbluth berichtete für die im Rahmen der Geschichtswerkstatt entstandene AG Straßennamen, dass diese aktuell ein Projekt im Zuge des Stadtjubiläums plane, bei dem auch Jugendliche von Schulen eingebunden werden sollen. Man wolle „ohne besserwisserischen Duktus eine Auseinandersetzung über Straßennamen in die Gesellschaft hineintragen“, so Jungbluth, und die Ergebnisse in einer der nächsten Geschichtswerkstätten vorstellen. Auch sei ein Symposium in Kooperation mit der Volkshochschule Gütersloh (VHS) über den „Nationalsozialismus in Gütersloh“ für Herbst 2025 in Planung, da seit den letzten Veröffentlichungen neue Quellen und Forschungen hinzugekommen seien – alle Interessierten sind dazu herzlich eingeladen. Julia Kuklik dankte allen Teilnehmenden und den Experten für ihren Input und den Austausch.

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