Gütersloh (gpr). „Die Adventszeit war ursprünglich eine Fastenzeit in Polen“, so Lucyna Minkus von der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Gütersloh. „Insbesondere am Tag vor dem Heiligen Abend wird den ganzen Tag nichts gegessen.“ Angesichts der vielen heimischen Weihnachtsmärkte und vorweihnachtlichen Feiern ist das aktuell kaum vorstellbar. Die Deutsch-Polnische Gesellschaft und die Volkshochschule Gütersloh (VHS) hatten zum gemeinsamen Weihnachtskochen in die VHS-Küche eingeladen. Und damit nicht nur der Magen, sondern auch der Kopf profitiert, lernten die Teilnehmenden an diesem Abend beim gemeinsamen Schnippeln und Brutzeln einiges über alte Bräuche und polnische Gastlichkeit.
Mit zwölf Gerichten gestaltet sich das Fastenbrechen am Heiligabend in Polen beeindruckend. Die Zahl zwölf steht ebenso für zwölf Apostel wie auch für die zwölf Monate des Jahres. Vieles hat seinen christlichen Ursprung, auch der Verzicht auf Fleisch am 24. Dezember. Statt Fleisch kommt Fisch auf den Teller, zum Beispiel in Form eines Heringssalats oder als gebratenes Filet vom Karpfen. Gemüse-Fans haben die Wahl zwischen Rote-Bete-Tartar, Gemüsesalat oder Sauerkraut mit Steinpilzen. Auch mit Borschtsch, Piroggen oder Fisch im Gemüsebeet ist die Menü-Liste des Abends noch nicht komplett. „Kein Alkohol“ – auch das ist eine Vorgabe für den Heiligen Abend in Polen. Daher war der Punsch, der mit Nelken und Zimt einen weihnachtlichen Duft in die VHS-Küche zauberte alkoholfrei.
Ein polnisches Weihnachtsessen braucht viele fleißige Hände, die schnippeln, hacken oder rollen. Generationenübergreifend fanden sich dazu reichlich Unterstützer in der VHS-Küche ein, um nach bereits zwei Stunden das Buffet zu bestücken. Auch einige deutsch-polnische Paare entdeckten diese Veranstaltung als besonderes Event für sich und waren von der vorweihnachtlichen, fröhlichen wie auch besinnlichen Stimmung angetan. Kurz vor dem Servieren schalteten sich per Konferenz-Link Online-Zaungäste aus Gütersloh und aus der polnischen Partnerstadt Graudenz live in die VHS-Küche und holten sich schon einmal digital den Appetit. Dann war auch Zeit auf die Brauchtumspflege einzugehen, gemeinsam auf Polnisch und auf Deutsch „Stille Nacht“ zu singen, gesegnete Oblaten zu brechen und der Live-Musik des Gitarren- und Gesang-Duos Udo und Inge zu lauschen.
Gastfreundlich ist auch diese polnische Geste: Es steht möglichst immer ein Teller mehr auf dem Tisch – eine Einladung für den unverhofften Gast. Nicht nur bei den Güterslohern war die Freude über die gelungene Begegnung groß, die Online-Gäste aus Graudenz waren ebenfalls voller Begeisterung über die polnische Brauchtumspflege in Gütersloh. Auch in ihrer zweiten Auflage, war diese Veranstaltung wieder ein voller Erfolg. „Und vielleicht wird die „Polnische Weihnachtstradition“ auch eine Tradition im VHS-Angebot“, resümiert Henrike Dulisch, pädagogische Leiterin der Volkshochschule Gütersloh.