Gütersloh (gpr). Thema des letzten Erzählcafés das in Zusammenarbeit mit den städtischen Fachbereichen Kultur und Jugend organisiert wurde, war nicht nur die 100-jährige Geschichte des Jugendamtes, sondern auch der Jugendhilfe. Der Historiker Dr. Franz Jungbluth moderierte die Veranstaltung und brachte als Autor der neu erschienenen Jubiläumsschrift gleich die nötige historische Expertise mit. Weitere Expertinnen auf dem Podium waren Sara Braddick, Abteilungsleitung der städtischen Hilfen für Jugend und Familien und Ulrike Boden, Leiterin der AWO-Kreisgeschäftsstelle, die aus erster Hand über ihre Arbeit berichteten. Unterstützt wurden sie durch Volker Richter, als Mitglied des Jugendhilfeausschusses und einer ehemaligen Hilfesuchenden Denise Karwath, die vor Jahren die Unterstützung des Jugendamtes suchte und heute selbst einen Beruf im sozialen Bereich ausübt.
Waren zum Zeitpunkt der Einrichtung des damaligen Jugendamtes nur zwei Mitarbeitende angestellt, sind es heute knapp 70, die den Schutz der Kinder und Jugendlichen in und um Gütersloh gewährleisten, berichtete Jugendamtsleiterin Sara Braddick. Diese Hilfe nahm auch Denise Karwath in ihrer Kindheit und Jugend in Anspruch: Mit gepackten Koffern ging die damals 15-Jährige von sich aus zum Jugendamt und bat um die freiwillige Inobhutnahme. Freunde nahmen ihr die Sorge und Vorbehalte vor dem Jugendamt. Inzwischen ist sie selbst Erzieherin und sagt: „Ich habe mich immer aufgehoben und unterstützt gefühlt. Ich möchte das auch zurückgeben können.“
Gegen das Klischee der Behörde, die einem die Kinder wegnehmen möchte, plädiert auch Sara Braddick. Wichtig sei es insbesondere, Hemmschwellen abzubauen und den Familien die Sorgen und Ängste vor einem Kontakt zu nehmen, damals wie heute. Das ist auch für AWO-Kreisgeschäftsführerin Ulrike Boden wichtig, denn „viele Kinder und Jugendliche können oft nicht sagen, wenn Sie Hilfe brauchen“. Die Kinder mit den Problemen und Bedarfen zu sehen, das muss auch in Zeiten von schwierigen Haushaltssituationen und dem Abbau von stationären Plätzen möglich sein. An jungen Menschen zu sparen findet sie gefährlich und appelliert: „Es darf kein Kind verloren gehen!“ Ulrike Boden gab einen historischen Rückblick auf die gewachsene Zusammenarbeit zwischen freien Trägern und der professionellen Jugendhilfe. Wichtig seien dabei insbesondere das Netzwerken, die gemeinsame Abstimmung und die regelmäßige Kommunikation. Der gemeinsame Leitspruch lautet: „Hilfe statt Strafe“. Dem stimmte auch Volker Richter zu, der vor über dreißig Jahren als Ratsmitglied das erste Mal im damaligen Jugendwohlfahrtausschuss teilnahm. Er war viele Jahre Vertreter des Stadtjugendrings und ehrenamtlicher Kommunalpolitiker. Seine eindrücklichste Erfahrung aus der Zeit: der erste erfolgreich eingebrachte eigene Antrag für eine Richtlinie zur Förderung der Jugendarbeit.
Interessierte können die Veranstaltung über das Kulturportal unter www.kulturportal-guetersloh.de/erinnern/erzaehlcafes/ nachträglich anschauen.