Bielefeld (hsbi). Kamera und Mischpult, große und kleine Kontrollmonitore, ein Smart-Board in schwarzer Kulisse: Das Theater in der Hochschule Bielefeld (HSBI) hat sich in ein Film-Set verwandelt. Richard Fuchs greift sich ein Hand-Mikrofon und erklärt kurz die Technik. „Wenn Ihr nicht sicher seid, wie Ihr es halten sollt, umfasst es einfach ganz uncharmant, aber fest.“ Spricht’s und reicht das Mikro Prof. Dr. Stefan Berlik: „Die Bühne gehört dir.“
HSBI Transfer springt an auf das Angebot der neuen Förderagentur des BMBF
Fuchs ist freier Journalist und Medientrainer beim NaWik, dem Nationalen Institut für Wissenschaftskommunikation. Er ist nach Bielefeld gekommen, um Forschende der HSBI auf ein neues Förderformat der Deutschen Agentur für Transfer und Innovation (DATI) vorzubereiten, den DATIpilot. Die DATI ist die jüngste Förderagentur des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), der DATIpilot ihr erstes Förderprogramm. Ziel ist, die Entwicklung technologischer und sozialer Innovationen und ihren Transfer in Wirtschaft und Gesellschaft zu beschleunigen. Eine Aufgabe, der sich die HSBI in ihrem Leitbild längst verschrieben hat. „Für uns war klar, da machen wir mit“, sagt Dr. Pascal Humbert, Geschäftsführer der neu geschaffenen zentralen Einrichtung für Ideen-, Wissens- und Technologietransfer „HSBI Transfer“. Er machte den DATIpilot an der HSBI und bei den Praxispartnern bekannt und warb speziell für das Fördermodul „Innovationssprints“.
Mit guten Argumenten: „Die Antragstellung ist sehr einfach, eine dreiseitige Projektskizze genügt“, erzählt Humbert. Prof. Dr. Uwe Rössler, Direktor von HSBI-Transfer und damit oberster Transferbeauftragter der Präsidentin nickt zustimmend. Als ehemaliger Dekan des Fachbereich Wirtschaft ist er antragserfahren auf allen Ebenen: „Der enorme Bürokratieaufwand klassischer Förderprogramme ist ein nicht zu unterschätzendes Transferhemmnis. Hier ist das Verfahren bewusst schlank gehalten. Das motiviert mehr Forschende, ihre Ideen einzureichen.“
Großer Erfolg: Annähernd ein Drittel der HSBI-Anträge schaffen es in die „Pitch“-Runde
In der Tat: Allein an der HSBI waren es annähernd 30 Antragstellende. „Davon profitiert auch die Hochschule, es wirkt wie ein Katalysator, um viele gute Ideen zu bekommen“, sagt Rössler. Neun Projekte aus den Fachbereichen Wirtschaft, Sozialwesen sowie Ingenieurwissenschaften und Mathematik haben die erste Hürde genommen und wurden zum weiteren Auswahlverfahren eingeladen. Für Pascal Humbert ein Erfolg: „Das spiegelt die große Vielfalt und Leistungsstärke der HSBI wider. Mit der Quote von fast ein Drittel Einladungen liegen wir deutlich über dem Durchschnitt.“
Einer der Auserwählten ist Stefan Berlik vom Campus Gütersloh. Der Professor ist im Fachbereich Ingenieurwissenschaften und Mathematik zuständig für das Lehrgebiet Big Data Analytics. Berlik nimmt das Mikrofon, atmet einmal kurz durch und beginnt mit einer Frage in die Runde: „Wer ist hier genervt von monotoner Büroarbeit?“ Alle Hände gehen hoch. So verschlankt die Antragstellung ist, so innovativ ist auch das weitere Auswahlverfahren: Fünf Minuten haben die Forschenden Zeit, ihr Projekt möglichst anschaulich und ansprechend zu präsentieren. „Diese sogenannten Pitches kennt man vor allem aus dem Start-up-Bereich“, erläutert Pascal Humbert. Für die Forschenden aber ist das Format zumeist Neuland.
Die etwas andere Show: „Worum geht es, warum ist das wichtig und wer macht es?“
Dafür ist Richard Fuchs da. An zwei Tagen übt der Medientrainer mit den Forschenden in zwei Gruppen ein, wie sie ihre Ideen überzeugend vermitteln können. „Anders als in der klassischen Wissenschaft darf man sich hier nicht mit Methoden, technischen Details oder dem Forschungsstand aufhalten. Die Kernbotschaft muss am Anfang stehen: Worum geht es, warum ist das wichtig und wer macht es?“, fasst Fuchs zusammen. Sich vom Fachlichen ein bisschen zu verabschieden, fiel Stefan Berlik nicht ganz leicht: „Als Hochschullehrer spricht man ja vor allem genau darüber. Aber das ist wirklich eine andere Show hier, man muss die Leute auch emotional erreichen.“ Deshalb stehen neben den allgemeinen Kriterien für gute Pitches, Struktur oder Storytelling auch Übungen zur Bühnenpräsenz und Körpersprache auf dem Trainingsplan. Die Übungen werden per Video aufgezeichnet, die Gruppe gibt Feedback, der Trainer analysiert im Detail. „Geht an eure Grenze“, rät Fuchs, als es um Emotionalität auf der Bühne geht. „Das macht den Menschen erkennbar und wirkt glaubwürdiger.“ Von etwaiger ostwestfälischer Reserviertheit habe er noch nie gehört, versichert er gutgelaunt und erinnert an das „innere Lächeln“, das stets mit auf der Bühne stehen sollte.
Das hat seine Trainingsgruppe längst internalisiert, sie ist hochmotiviert. „Es ist eine tolle Arbeitsatmosphäre“, sagt Stefan Berlik. Zusammen mit den anderen Teilnehmenden sitzt er im Stuhlkreis, alle haben ihre Laptops auf dem Schoß, überarbeiten Folien, feilen an ihren Texten. Dann startet die letzte Präsentationsrunde, die Forschenden stellen ihre mit allen Erfahrungen und Tipps des Tages runderneuerten Pitch-Versionen vor. Berlik spricht über seine Idee einer KI-basierten Software, die wiederkehrende Standard-Aufgaben der Büroarbeit automatisieren soll, und schließt mit einem Appell: „Voten Sie für mein Projekt!“ Applaus und positives Feedback aus der Gruppe: „Eine super Verbesserung zu heute Morgen“, heißt es, und: „Jetzt habe ich verstanden, worum es dir geht!“ Das Bielefelder Publikum hat Berlik auf seiner Seite.
Pitchende sind gleichzeitig Teil der Jury und entscheiden, wer bis zu 150.000 Euro erhält
Wichtig ist der Publikumserfolg auch aus einem speziellen Grund: „Bei den realen Auswahl-Pitches sind die Pitchenden gleichzeitig Teil der Jury für die übrigen Projekte. Am Ende eines Tages bestimmen die Teilnehmenden selbst, welche Projekte besonders überzeugen und eine Förderung durch das BMBF erhalten sollen“, erklärt Pascal Humbert. Durch ihre Entscheidung wird die Hälfte der insgesamt 300 Förderungen vergeben. „Die andere Hälfte wird aus den verbliebenen Projekten ausgelost.“ Dann gibt es bis zu 150.000 Euro pro Partner für bis zu 18 Monate. Im Falle eines Kooperationsprojektes mit einem Anwendungspartner kann ein Projekt sogar mit bis zu 300.000 Euro gefördert werden.
Die HSBI-Forschenden fühlen sich nach dem Training gut vorbereitet. „Das war definitiv hilfreich“, sagt Stefan Berlik. Nicht nur für DATIpilot-Pitches: „Die Präsentationstechniken kann man überall gut gebrauchen, auch in den Lehrveranstaltungen.“