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Im Hebammenstudium an der HSBI mimen Simulationspersonen Schwangere, Gebärende und Wöchnerinnen um Prüfungen möglichst realistisch und praxisnah zu gestalten

Der Bachelorstudiengang Angewandte Hebammenwissenschaft an der HSBI setzt auf eine Prüfungsform, die sich im Gesundheitswesen bewährt hat: die Prüfung mit einer Simulationsperson. So können auch die kommunikativen und sozialen Handlungskompetenzen der angehenden Hebammen beurteilt werden. Der Studiengang ist stets auf der Suche nach neuen „Schauspielerinnen“.

Bielefeld (hsbi). Der Bauch ist schwer, unerwartet schwer. Alina Kruel schwingt sich mühsam aus dem Bett. Steht kurz aufrecht – und macht sogleich ein Hohlkreuz: die typische Haltung der Hochschwangeren. Kruel schmunzelt und sagt: „Das passiert ganz automatisch.“ Auch wenn man wie sie keinen echten, sondern nur einen umgeschnallten Babybauch hat, denn Alina Kruel bereitet sich an der Hochschule Bielefeld (HSBI) im Skills Lab für Hebammen auf ihren nächsten Einsatz als Simulationsperson vor.

Alina Kruel simuliert eine Wöchnerin, die viele Fragen zum Umgang mit ihrem Neugeborenen hat. (Foto: P. Pollmeier/HSBI)

Seit dem Wintersemester 2021 werden im praxisintegrierten Bachelorstudiengang Angewandte Hebammenwissenschaft an der HSBI Hebammen ausgebildet. Nicht nur theoretische Inhalte werden dabei an der Hochschule vermittelt, sondern auch praktische Fertigkeiten. Das geschieht im Skills Lab des Fachbereichs Gesundheit. Maike Lammert, erfahrene Hebamme mit einem Master in Berufspädagogik und Lehrkraft für besondere Aufgaben, erklärt: „Das Skills Lab ist als ‚Fertigkeitenlabor‘ unser dritter Lernort. Hier sind die typischen Arbeitsumgebungen der Hebammen nachgestellt wie beispielsweise ein Kreißsaal oder ein gemütliches Zimmer zuhause bei einer Wöchnerin. Das ermöglicht das Einüben praktischer Tätigkeiten in geschützter Umgebung.“ Die Praxisphasen im Studium absolvieren die Studierenden bei den Kooperationspartnern im klinischen und außerklinischen Bereich. Nach jeder Praxisphase finden praktische Prüfungen allerdings im Skills Lab der Hochschule statt. Und hier kommen die Simulationspersonen ins Spiel.

„Spielend“ gebären: Die richtige Kommunikation gehört dazu
Alina Kruel sitzt mittlerweile wieder auf dem Bett. „Ich möchte Ihnen Blut abnehmen. Strecken Sie doch bitte einmal Ihren Arm aus, ganz locker lassen!“, wird sie von Andrea Hermelingmeier freundlich aufgefordert. Hermelingmeier, Hebamme und Berufspädagogin M.A. und als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachbereich Gesundheit tätig, übernimmt heute einmal die Rolle der Studierenden, um mit Alina Kruel die Prüfungssituation einzustudieren. Kruels Einsatz kommt prompt: „Warum muss das sein? Was wollen Sie denn untersuchen?“, fragt sie mit gespielter Ungeduld. Maike Lammert: „Wir prüfen nicht nur, ob das Blutabnehmen korrekt vorbereitet wird, sondern auch, ob die Studierenden angemessen auf die ‚Schwangere‘ eingehen und ihre Fragen korrekt beantworten.“

Mit vollem Körpereinsatz geht Alina Kruel als Schwangere mit Wehen in den Vierfüßlerstand. Die Simulationsperson verringert so die Übungskünstlichkeit. (Foto: P. Pollmeier/HSBI)

Echte Menschen statt Übungskünstlichkeit

In den Prüfungen werden die kommunikativen, sozialen und beruflichen Handlungskompetenzen der angehenden Hebammen beurteilt. Der praktische Teil darf simulationsbasiert ablaufen, an Modellen und/oder Simulationspersonen. „Die staatliche Abschlussprüfung im Bereich Geburt ist einer von vielen Prüfungsteilen und muss laut Gesetzgeber sogar simulationsbasiert an der Hochschule durchgeführt werden“, sagt Maike Lammert. Das bringt Vorteile: „Die Prüfung wird planbar und durch eine gewisse Standardisierung vergleichbar. Niemand muss mehr darauf warten, dass eine passende Schwangere Wehen bekommt.“

Lammert und ihre Kolleginnen finden es wichtig, dass die Prüfung nicht allein an Modellen abläuft, sondern auch mit ‚echten‘ Menschen. An der HSBI finden die praktischen Prüfungen schon ab dem ersten Semester mit Simulationspersonen statt. „Das verringert die Übungskünstlichkeit“, erklärt Lammert. „Und ein Modell hat Grenzen, vor allem im kommunikativen und sozialen Bereich.“

Auch Simulationspersonen kommen an ihre Grenzen

Wie zur Bestätigung stöhnt Alina Kruel laut auf. Holt ganz tief Luft und atmet langsam durch den Mund aus. Eine Wehe! „Ich will auf den Hocker“, fordert sie nachdrücklich mit angestrengtem Gesicht. Andrea Hermelingmeier begleitet sie vorsichtig zum Gebärhocker, redet ihr beruhigend zu und hilft ihr aus der Hose. Zum Vorschein kommt Alina Kruels eigene Legging, in der sie – plötzlich wieder ganz behände – hinter den Hocker hüpft und auf einem Schemel Platz nimmt. Auf dem Gebärhocker ist derweil ein nacktes Unterleibsmodell platziert, samt Babypuppe im Bauch. „Eine Simulationsperson hat natürlich auch Grenzen“, sagt Maike Lammert und lacht. Vaginale Untersuchungen werden ebenso wie die eigentliche Geburt am Modell geprüft, und auch für die Blutabnahme oder das Legen eines Katheters müssen die Simulationspersonen selbstverständlich nicht ihren eigenen Körper herhalten. Sie bleiben in dieser Situation aber trotzdem wichtig. „Auch, wenn die Studierenden mit dem Modell arbeiten, sollen sie weiterhin mit der Simulationsperson kommunizieren und ihr die Untersuchung oder die Befunde mitteilen“, betont Lammert.

Maike Lammert, Hebamme, Berufspädagogin (M.A.) und Lehrkraft für besondere Aufgaben im Bachelor Angewandte Hebammenwissenschaft an der HSBI bei einer Prüfung. (Foto: P. Pollmeier/HSBI)

„Das ist schon mein fünftes Kind heute!“
Inzwischen hat die Simulationsperson das Baby Wehe für Wehe durch das Modell geschoben und wurde hierbei in der Doppelrolle als Gebärende von der Studierenden kompetent zum Mitschieben angeleitet. Über einen kleinen Lautsprecher ertönt schließlich ein Neugeborenen-Schrei. „Herzlichen Glückwunsch!“ Hermelingmeier strahlt und legt der „Mutter“ das Baby zum Kuscheln auf die Brust. Prüfung bestanden. „Das ist schon mein fünftes Kind heute“, sagt Kruel zufrieden . Sie hat sichtlich Freude an der Arbeit als Simulationsperson. Im „richtigen“ Leben ist die Wirtschaftspsychologin und Coachin selbst in der Erwachsenenbildung  tätig. Sie ist vom Konzept der Prüfung mit Simulationspersonen überzeugt. „Ich erlebe in meinem Berufsalltag immer wieder, wie wichtig Kommunikation ist, vor allem in Behandlungs- und Betreuungssituationen. Für Studierende, die auf eine Arbeit mit Menschen vorbereitet werden, finde ich diese Prüfungsform richtig gut.“

Drehbücher helfen bei der Vorbereitung

Damit sie optimal ablaufen kann, bereitet Kruel sich gründlich vor: „Mit dem Briefing durch die Hebammen an der HSBI funktioniert das super.“ Maike Lammert und ihre Kolleginnen haben verschiedene Szenarien in Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett ausgearbeitet, inklusive unterschiedlicher Schwangeren-Biografien, und diese mit detaillierten Regieanweisungen für die Simulationspersonen versehen. „Wir geben genau vor, was wann gesagt und getan werden muss. Wie in einem richtigen Drehbuch“, erläutert Maike Lammert. Die Simulationsperson studiert es ein und übt den Ablauf mit den Hebammen im Skills Lab, bis alles sitzt. Die entspannte Atmosphäre im Skills Lab tut ein Übriges: „Es wird auch viel gelacht bei den Proben“, sagt Kruel. Die Prüfungen nimmt sie aber genauso ernst wie die Studierenden. „Schließlich will ich niemandem die Prüfung vermasseln.“ Das kann nicht passieren, beruhigt Lammert. „Zum einen sind die Simulationspersonen so gut vorbereitet, zum anderen tragen wir die Verantwortung.“ Alina Kruels Bilanz bestätigt das: „Bis jetzt haben ‚meine‘ Studierenden alle bestanden.“

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Simulationspersonen gesucht

Der Bachelorstudiengang Angewandte Hebammenwissenschaft sucht Verstärkung für seinen Pool an Simulationspersonen. Wer Spaß an der Schauspielerei hat, aber nicht die große Bühne braucht, für den ist der Job als Simulationsperson genau das richtige.

Voraussetzungen:

  • Frau, der man ein gebärfähiges Alter abnimmt
  • Interesse an der Prüfungsform
  • gute kommunikative Kompetenz, Flexibilität und Zuverlässigkeit
  • gute Deutschkenntnisse
  • Bereitschaft, sich in die Regieanweisungen intensiv einzuarbeiten und sich an das Drehbuch zu halten
  • Verschwiegenheit
  • Reflexions- und Problemlösefähigkeit
  • medizinische Kenntnisse oder eigene Geburtserfahrungen sind nicht notwendig
  • keine Studierenden des Fachbereichs Gesundheit

Die Einsätze der Simulationspersonen sind unregelmäßig über das Jahr verteilt, sie werden über Werkverträge vergütet.

Wer Interesse an einer Tätigkeit als Simulationsperson hat, schreibt eine formlose Email mit seinen Kontaktdaten an hebammenwissenschaft.skillslab@hsbi.de. Das Team nimmt dann Kontakt auf, um Details zu klären.

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