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„Landscapes, Photoscapes, Dreamscapes“:

Studierende des Fachbereichs Gestaltung zeigen ihre Arbeiten rund um das „art/science-Festival“ in der Galerie HSBI-Satellit

Welche Bilder können sich Künstler:innen heutzutage noch von Landschaften machen – angesichts zunehmender Umweltzerstörung und Urbanisierung? Dazu hatten die HSBI-Professorin Kirsten Wagner, der HSBI-Professor Emanuel Raab und der HSBI-Alumnus Patrick Pollmeier für Studierende der Fachrichtung Fotografie und Bildmedien ein Seminar veranstaltet. Die Ergebnisse von „Landscapes, Photoscapes, Dreamscapes“ sind brillant – und bereichern das derzeitige „art/science-Festival“ in der Wissenswerkstadt Bielefeld.

Bielefeld (hsbi). Unberührte Landschaften, natürliche Idyllen. Wer von Bielefeld aus aufbricht, müsste schon sehr weit reisen, um derartiges zu entdecken – angesichts globaler Umweltzerstörung oder zumindest der Spuren, die der Mensch auch noch im hintersten Winkel dieser Welt hinterlassen hat. Und gibt es so etwas wie „Landschaft an sich“ überhaupt? „Nein“, sagt Kirsten Wagner. „Sie ist immer von Menschen gemacht. Und die Fotografie selbst verändert noch einmal mehr den Blick auf sie. Vor diesem Hintergrund haben wir versucht zu verstehen, was Landschaft heute ist.“

Wagner ist als Professorin im Fachbereich Gestaltung der Hochschule Bielefeld (HSBI) für das Lehrgebiet Kultur- und Kommunikationswissenschaft verantwortlich. Zusammen mit ihrem Professoren-Kollegen Emanuel Raab und dem HSBI-Absolventen Patrick Pollmeier hat sie im Sommersemester das Seminar „Landscapes, Photoscapes, Dreamscapes“ in der Studienrichtung Fotografie und Bildmedien geleitet, das nun in eine gleichnamige Ausstellung gemündet ist. Die Schau in der HSBI-eigenen Galerie Satellit ist außerdem Teil des art/science-Festivals, das das Zentrum für Ästhetik der Universität Bielefeld alle zwei Jahre ausrichtet und in diesem Jahr vom 30. Januar bis zum 2. Februar unter dem Motto „Irritation“ stattfindet.

Bielefelder Stadtgeschehen kommt per Livestream in den Ausstellungsraum
Zwölf Arbeiten von HSBI-Studierenden sowie der Kuratoren Raab und Pollmeier sind zu sehen, die in der Tat irritieren, aber gleichzeitig aufklären und dadurch die Wahrnehmung unserer alltäglichen Umgebung schärfen. So hat sich Kai Litke auf die Suche nach „Nicht-Orten“ in der Stadt gemacht: belebte, aber lieblos gestaltete Ecken, die man möglichst schnell wieder verlassen möchte. In einer U-Bahn-Station ist Litke fündig geworden, und mit ihm fragt sich der Betrachtende der Fotoinszenierung: Lässt sich so etwas nicht menschenfreundlicher bauen?

Auch Marvin Krullmann hat das Bielefelder Stadtgeschehen in den Ausstellungsraum geholt – sogar in Echtzeit. Per Livestream werden Bewegungen von Menschen und Fahrzeugen in der Innenstadt zu visuell überraschenden Chiffren heutiger Mobilität. Krullmann unternimmt damit eine kritische Betrachtung von Stadtplanung, indem er ihr vorhält, wie städtische Räume tatsächlich durchströmt werden.

Von der Zerrissenheit der Landschaft und der Einzigartigkeit jedes Augenblicks
Hinaus ins Sauerland hat es dagegen Jonas Glanz und Paul Scheide gezogen. Sie waren dem Schiefer auf der Spur, dessen Abbau die Landschaft ebenso geprägt hat wie seine Verwendung als Baumaterial die Baukultur der Region. Die noch krasseren Wunden, die die Kalksteingewinnung in der Natur hinterlassen hat, untersuchte Jakob Leve Stumpenhausen mit Drohne und Kamera. Sein Blick von oben auf die Zerrissenheit der Landschaft zeugt von Erschrecken und ästhetischer Faszination gleichermaßen. Die Blickrichtung von Linda Vollmer geht in ihrer Arbeit „Spiegel“ in die genau entgegengesetzte Richtung: 20 Minuten lang schaute sie mit ihrer Kamera in die Wolken über sich, jede Minute entstand ein Bild. „Ein stiller Dialog zwischen Himmel und Zeit“, wie sie es selber nennt. Und eine Meditation über die Einzigartigkeit jedes Augenblicks.

Kirsten Wagner ist mehr als zufrieden mit den künstlerischen Ergebnissen. „Das ist tatsächlich eine museale Ausstellung geworden, die sich nicht verstecken muss“, sagt sie. „Man muss bedenken: Es handelt sich hier fast ausschließlich um Bachelor-Studierende, viele davon erst im vierten Semester. Für diesen Stand sind das wirklich schon sehr ausgereifte, tolle Bildergebnisse.“

„Kunst und Wissenschaft sind keine Gegensätze, sondern bedingen sich gegenseitig“
„Landscapes, Photoscapes, Dreamscapes“ ist dabei keine reine Fotoausstellung, sondern nutzt die ganze Vielfalt der Bildmedien und Installationsmöglichkeiten. So bespielt Jon Andreas Grote mit seiner „Schattenabschaltung“ den Tresor-Raum des ehemaligen Bankgebäudes, in das im September 2024 der HSBI-Satellit eingezogen ist. Die mediale Rauminstallation thematisiert die multisensorischen Auswirkungen von Windkraftanlagen auf Mensch und Umwelt. Kirsten Wagner betont den künstlerisch forschenden Charakter dieser Arbeit. „Kunst und Wissenschaft sind eben keine Gegensätze mehr, sondern sie bedingen sich gegenseitig“, sagt sie. „Die Moderne hat beides lange getrennt, doch seit etwa 20 Jahren bricht das auf. Hochschulen wie die HSBI beschäftigt diese enge Verbindung immer intensiver.“

Für die Studierenden der Fachrichtung Fotografie und Bildmedien bedeutet das: Neue Themen immer wieder nicht nur ästhetisch, sondern auch theoretisch zu durchdringen und die gesellschaftliche Relevanz ihres künstlerischen Outputs herauszuarbeiten. Im Falle von „Landscapes, Photoscapes, Dreamscapes“ mussten alle Ausstellenden entsprechend Texte verfassen, die ihren Ansatz erklären. „Die Besucher:innen können das in einem Flyer zur Ausstellung nachlesen“, erklärt Kirsten Wagner. „Dadurch wird noch einmal sehr anschaulich, was Landschaftsbilder gerade heute in der Lage sind zu leisten.“

„Nicht-Orte“ der Stadt wie die Ecken einer unterirdischen Stadtbahnhaltestelle sind das Thema von Kai Litke. (Foto: P. Pollmeier)

 

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