FOTOS: DR. MICHAEL ZIRBEL | TEXT: REGINA MEIER ZU VERL
Neulich hatten wir mal wieder ein sehr nettes Gespräch mit unserem ehemaligen Gütersloher Stadtplaner Dr. Michael Zirbel. Wie das so ist, wenn man lange nichts voneinander gehört hat, hält man Smalltalk und kommt nach »wie geht es Dir«? zu der Frage »was machst Du denn so«? Tja, und mit der Antwort haben wir nicht gerechnet.
Wir staunten nicht schlecht, als er uns von seinem Urlaub auf einem Containerschiff berichtete. Und dann noch als einziger Passagier. Wir hätten auch nicht gedacht, dass man diesen Touren tatsächlich buchen kann und dass der Frachtschiff-Touristik, Kapitän Zylmann aus Kappeln an der Schlei, alles perfekt organisiert. Das besagte Containerschiff, ist die Alexander B, ein 154 Meter langes, in Bremen gebautes Schiff, das bis zu 18.000 Tonnen Fracht transportiert.
Angetrieben von einem 15.000 PS starken MAN-Dieselmotor, ging es dann auf die Reise von Hamburg nach Marokko. Als Feeder steuert das Schiff regelmäßig viele europäische Häfen an, wie Rotterdam, Le Havre, Vigo und Casablanca sowie einem besonderen Stopp auf der Rückfahrt in Tilbury, dem Hafen Londons. Seine Kabine, direkt unter der Brücke gelegen, bot sogar eine komfortable Ausstattung, inklusive Klimaanlage und der nötigen Stromversorgung für Passagiere. Die Reise kostet je nach Kabinenbelegung zwischen 2.400 bis 2.600 Euro.
Warum macht man überhaupt eine Reise auf einem Frachtschiff? Klar, Namen wie Rotterdam, Le Havre oder Casablanca klingen verlockend, die Vorstellung, in fremde Häfen einzulaufen, lässt das Herz höher schlagen. Aber die Realität sieht oft anders aus. Landgänge sind selten und kurz. In Le Havre blieben gerade mal 30 Minuten – genug, um einen hastigen Spaziergang entlang der Kais zu machen. Rotterdam und Antwerpen? Verbotenes Terrain. Da durfte das Schiff nicht verlassen werden. In Vigo lag man immerhin ganze sechs Stunden vor Anker, genug, um ein bisschen die Stadt zu erkunden. Doch in Tanger schien das Land weit weg zu bleiben – der Hafen lag schlicht zu weit entfernt. Casablanca war die Ausnahme, die sich fast wie ein Geschenk anfühlte: Sieben bis acht Stunden an Land. Gerade genug, um durch die verwinkelten Gassen der Altstadt zu schlendern, einen Teller dampfender Tajine zu genießen und pünktlich wieder zurück an Bord zu sein.
Hawaii – Toast und Bratwurst zum Frühstück
Das Leben auf dem Schiff selbst? Nichts, was an die romantische Vorstellung von Freiheit auf den Meeren erinnert. Keine geschäftigen Häfen voller Abenteuer, sondern ein durchgetakteter Betrieb, fast wie in einer Fabrik, die niemals stillsteht. Um sieben Uhr morgens gibt es Frühstück. Punkt. Mittag um zwölf, Abendessen um fünf. Verpasst man die Zeiten, bleibt man hungrig. Der einzige Koch an Bord muss schließlich die gesamte Crew versorgen, und da bleibt kein Spielraum für individuelle Wünsche. Die Mahlzeiten sind einfach, aber reichlich. Drei Gänge für alle, Offiziere wie Matrosen. Aber Buffets wie auf Kreuzfahrtschiffen? Fehlanzeige. Und ja, es kam vor, dass zum Frühstück Hawaii-Toast oder Bratwurst aufgetischt wurden – gewöhnungsbedürftig, aber irgendwie auch charmant in seiner Eigenart.
Freizeit an Bord? Sie ist rar und fühlt sich oft einsam an. Nach getaner Arbeit verkriechen sich die meisten in den kleinen Fitnessraum oder vor den Laptop. Filme, Bücher, alles, was ablenkt. Im Maschinenraum tobt der Schiffsdiesel, 15.000 PS, die das ganze Schiff erbeben lassen, wenn der Propeller auf Geschwindigkeit gebracht wird. Der Lärm ist ohrenbetäubend, ohne Gehörschutz kaum auszuhalten. Und die Hitze – sie ist unnachgiebig. Der Maschinenraum ist das Herz des Schiffes, und es schlägt laut.
Man ist auf sich allein gestellt. Nach der Kabinenübergabe und ein paar kurzen Infos zu den Essenszeiten bleibt nichts weiter, als sich selbst zu beschäftigen. Eine Einführung, wie man sie vielleicht von Kreuzfahrten kennt, gibt es nicht. Abende, an denen man gemeinsam mit der Crew lacht, spielt, sich austauscht? Fehlanzeige. Jeder lebt in seiner eigenen Welt, oft stundenlang allein, mit Gedanken, die sich endlos über das weite Meer erstrecken. Doch darin liegt auch etwas Schönes: Delfine, die neben dem Schiff auftauchen, die Sonne, die tiefrot über dem Atlantik versinkt. In diesen Momenten spürt man die Weite und die Einsamkeit des Meeres auf eine Art, die kein Kreuzfahrtschiff jemals vermitteln könnte.
Und dann die Realität der modernen Welt auf See: Ohne Handy. Ohne Internet. Abseits der großen Häfen gibt es einfach keinen Empfang. Es sei denn, man hat ein Satellitentelefon – aber wer hat das schon? Also heißt es, vorbereitet sein. Filme runterladen, Bücher mitbringen. Musik? Am besten offline hören. Es bleibt viel Zeit, sich auf das Wesentliche zu besinnen.
Eine Reise auf einem Frachtschiff ist nicht für jeden. Wer Unterhaltung sucht, immer online sein will oder Abwechslung braucht, wird hier nicht glücklich. Allein auf weiter See, oft isoliert, nur begleitet von den eigenen Gedanken. Aber genau darin liegt vielleicht die Schönheit dieser Reise. Der Weg ist das Ziel. Und ja, trotz all der Herausforderungen – Michael Zirbel würde es wieder tun. Vielleicht auf einer anderen Route, aber die Freiheit, die Stille, das Meer? Unersetzlich. Ein Abenteuer, das man nicht so schnell vergisst.
Und wir? Wir sind froh, ein kleines Stück dieses Abenteuers begleitet zu haben. Ganz ohne Seekrankheit. Aber mit viel Bewunderung für diesen außergewöhnlichen Weg.
Geselligkeit? Kaum. Vier Wochen auf dem Schiff, und nur eine Einladung des Kapitäns. Zum Geburtstag gab es einen großen Topf Gambas – ein Moment des Zusammenkommens, der allerdings schnell wieder verflog. Die restliche Zeit verbrachte jeder für sich. Und die Gehälter an Bord? Ernüchternd. Ein Matrose verdient 1.200 Dollar im Monat, der Koch 1.800. Bei Arbeit, die fast rund um die Uhr geht, an sieben Tagen die Woche. Der Koch hat selten vor 20 Uhr Feierabend. Und die strengen Hierarchien an Bord? Sie machen das Leben nicht leichter. Zwei Speiseräume gibt es – einen für die Offiziere, einen für die Matrosen. Selbst unter den Offizieren gibt es klare Grenzen. Der Kapitän und seine Führungskräfte speisen getrennt vom Rest. Als Passagier hat man immerhin einen eigenen Tisch – ein kleiner Luxus in einer ansonsten harten Umgebung.
Die Reise führte entlang der Küsten von Holland, Belgien, Frankreich und Spanien bis nach Marokko. In der Biskaya gab es einen Sturm, der plötzlich alles erschütterte. Die Tage davor waren ruhig gewesen, fast trügerisch still. Doch die See zeigt, wann immer sie will, ihr ungezähmtes Gesicht. Glücklicherweise blieben die mitgebrachten Tabletten gegen Seekrankheit ungenutzt.