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  • 12.04.2024
  • Ausgabe 98
  • RegioCarl

#Jazz CityGT Blog 11

Juliette Greco
Reinhard Fulde Redakteurbild

Reinhard Fulde

Content-Redakteur

Fotos: Raimund Vornbäume Text: Reinhard Fulde

EINE MUSIKALISCHE REISE NACH JAZZ-CITY GÜTERSLOH

Nach Nina Simone und Eartha Kitt holte Josef 1994 eine weitere große Diva zu einem »Galaabend« ins alte Theater nach Gütersloh: Die französische Sängerin und Schauspielerin Juliette Greco hatte nicht nur in ihrer Heimat Frankreich, sondern weltweit, einen legendären Ruf und wurde als Chansonsängerin gleich hinter der großen Edith Piaf eingestuft. Als sie bald nach dem Krieg als junge Frau im Pariser Künstlerviertel Saint-Germain-des-Pres ihre ersten Auftritte hatte, stand da vor dem Publikum aus Literaten, Jazzmusikern und Philosophen bereits eine gestandene Persönlichkeit, die in den Jahren davor zusammen mit ihrer Mutter und Schwester in der Resistance gegen die deutschen Besatzer gekämpft hatte und von der Gestapo verhört und eingekerkert worden war. Mutter und Schwester verbrachten mehrere Jahre im KZ Ravensbrück. Dass es lange Zeit dauern sollte, bis sie als Künstlerin deutschen Boden betrat, dürfte einleuchten.

Jean Paul Satre und Albert Camus erkannten sofort ihr Talent, schätzten ihre politische Haltung und schrieben Lieder für sie, ebenso der geniale, vielseitige Künstler Boris Vian und später Serge Gainsbourg und Jacques Prevert. Schnell wurde sie eine Art Exportschlager der intellektuellen Kreise im Saint-Germain-des-Pres. Schon ihre ersten Filmrollen (u.a. in Jean Cocteaus »Orpheus «, 1949 oder Jean-Pierre Melvilles »Und keine blieb verschont«, 1953) machten sie auch als Schauspielerin bekannt, in Deutschland vielleicht am eindrücklichsten ihre Rolle in dem Fernsehmehrteiler »Belphegor oder das Geheimnis des Louvre«, 1965.

Unser Bezugspunkt zu Juliette Greco war allerdings der Jazz, war sie doch in den frühen fünfziger Jahren die Geliebte des später wohl erfolgreichsten Jazzmusikers der Welt, Miles Davis  (bekanntermaßen zweimal in Gütersloh zu Gast), der sie bei seinem ersten Besuch in Europa Anfang der fünfziger Jahre in Paris kennenlernte. In seiner Autobiographie beschreibt der »coole«, gemeinhin als unnahbar und unromantisch geltende Miles seine Begegnung mit der Französin: »Juliette und ich pflegten an der Seine spazieren zu gehen, Hand in Hand, küssten uns, schauten uns in die Augen, küssten uns wieder und drückten unsere Hände noch etwas fester. Es war wie Magie, als sei ich hypnotisiert worden, als sei ich in einer Art Trance. Ich hatte so etwas zuvor noch nie erlebt.« Wenn man die genaueren damaligen Lebensumstände der beiden kennt, wird schnell klar, dass diese Beziehung keine Zukunft haben konnte. Josef und ich hätten Juliette so gerne darauf angesprochen, trauten uns aber natürlich nicht.

Josef hatte es also wieder einmal geschafft: Dank seiner guten Verbindungen war es ihm erneut gelungen, einen Weltstar zum einzigen Konzert in Deutschland in die Provinz zu verpflichten! Von Beginn an erwies sich die Künstlerin als freundliche, allürenfreie Dame, die sofort von dem Auftrittsort, dem angestaubten alten Theater und seiner ganz eigenen Atmosphäre, sehr angetan war. Das natürlich ausverkaufte Konzert , war wunderbar: Die 67jährige Künstlerin hatte eine enorme Ausstrahlung, eine eindrucksvolle Bühnenpräsenz und kommunizierte charmant mit dem Publikum.

Es erklangen viele der alten Klassiker, aber es gab durchaus auch Anklänge an die Moderne. Josef wusste, dass sie, selbst stets in schwarz gekleidet , weiße Rosen liebte. Er setzte Himmel und Hölle in Bewegung, um einen eindrucksvollen Strauß weißer Rosen zu beschaffen, was, wie auf dem Foto zu sehen, schließlich auch gelang. Die Blumen kamen gerade noch rechtzeitig, frisch aus Nizza importiert. Ganz ungewöhnlich: Die Künstlerin nahm den Strauß tatsächlich mit nach Paris. Josef selbst, der sich gewöhnlich an zurückgelassenen Sträußen seiner KünstlerInnen erfreute, ging diesmal leer aus.

In der improvisierten Pressekonferenz nach dem Konzert waren viele Journalisten von weit her angereist, mit denen Juliette Greco locker plauderte. Besonders amüsant die Versuche vieler Journalisten, möglichst unfallfrei auf Französisch zu parlieren. Erst am Schluss gab sie zu erkennen, dass sie natürlich gut Englisch sprach. Anschließend ließ sie sich sogar zusammen mit Fans, die ihr Glück kaum fassen konnten, fotografieren. Ähnlich wie bei Nina Simone und Eartha Kitt wurde Josef hinterher von älteren Herren teilweise tränenreich dafür gedankt, dass sie ihr Idol noch einmal live erleben durften. Die Legende Juliette Greco gab 22 Jahre (!) nach dem Auftritt in Gütersloh im Alter von 89 Jahren ihr Abschiedskonzert und starb 2020. RIP

Info

Juliette Gréco (* 7. Februar 1927 in Montpellier; † 23. September 2020 in Ramatuelle) war eine französische Chansonsängerin und Schauspielerin. Sie wurde als „grande dame de la chanson“ bezeichnet und galt als Muse der französischen Existentialisten (u.a. Jean-Paul Satre, Albert Camus, Simone de Beauvoir).