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  • 07.07.2023
  • Ausgabe 91
  • RegioCarl

#JazzCityGT – Blog 04

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Abbey Lincoln

#JazzCityGT – Blog 04

Als wir Abbey Lincoln 1995 in den kleinen Saal der Stadthalle und 1997 noch einmal ins alte Theater der Stadt holten, stand sie wie ihre Freundin und Rivalin Betty Carter auf dem zweiten Höhepunkt ihrer Karriere: Spitzenplätze in den angesagten Jazzmagazinen für sie als Künstlerin und für ihre Platten, längere Artikel auch in Zeitschriften wie ESQUIRE, ELLE; VOGUE; TIME belegen das ebenso wie die Liste der Musiker, mit denen sie ab dem Ende der achtziger Jahre, dem Beginn ihrer zweiten Karriere, Plattenaufnahmen machte, unter ihnen Stan Getz, Hank Jones, Charlie Haden, Archie Shepp, Kenny Barron, Pat Metheny, Roy Hargrove u.v.a.

In den fünfziger Jahren begann sie als Nachtclubsängerin und hatte kleinere Filmrollen, ehe sie 1957 den berühmten Schlagzeuger und Mitbegründer des Bebops Max Roach kennenlernte, den sie fünf Jahre später heiratete und der ihr musikalischer Mentor wurde. Legendär, als Platte und Dokument der schwarzen Bürgerrechtsbewegung, wurde die Aufnahme »WeInsist: Freedom Now Suite«. Ihre Ehe mit Max Roach zerbrach, und es dauerte mehr als 20 Jahre, ehe ihr mit »Abbey Sings Billie« ein eindrucksvolles Comeback gelang.

Josef und mich verbanden besonders enge emotionale und persönliche Be- ziehungen zu Abbey, die uns beide schon vor ihrem ersten Konzert in ihr Herz geschlossen hatte – Raimund Vornbäumens tolle Fotos belegen dies eindrucks- voll. Ihre Widmung an mich in Ydo Sols Fotoband »Faces of Jazz«, unter einem Portrait von ihr: »Reinhard – It’slove – Thankyouforeverything! – Abbey Lincoln« war natürlich keine echte Liebeserklärung an mich (immerhin 20 Jahre jünger als sie), sondern hieß wohl soviel wie: »Leute wie Du und Josef und Eure Liebe zu meiner Musik und dem Jazz und seinen Künstlern sind die Dinge, die für uns zählen.«

#JazzCityGT - Blog 04
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Auch Abbey war bei ihrem zweiten Besuch in Gütersloh mit ihrer Band von jungen Musikern bei uns in Isselhorst zum Abendessen zu Gast. Der damalige NW-Redakteur Thomas Klingebiel hatte die Gesellschaft im Hotel abgeholt und, da kein Platz mehr im Opel Kombi war, legte sich Josef einfach in den Gepäckraum, aus dem er bei uns dann unter lautem Hallo der Band und von Abbey herauskroch. Der Abend fing also gut an. Auch hier stürzten sich die Musiker gleich nach dem Essen auf meine Plattensammlung, und den Rest des Abends liefen nur noch die Aufnahmen von Thelonius Monk mit Frankie Dunlop am Schlagzeug, nach denen die Band sofort gefragt hatte.

Es wurde wieder ein langer, lebhafter Abend. Auch diesmal spielte sich, wie mit Betty Carter, eine nette Episode in meinem Auto ab: Am Tag nach dem Konzert brachte ich Abbey mit meinem älteren Golf zum Bahnhof Paderborn. Ich fuhr (zugegeben nicht gerade der geborene Rennfahrer) besonders vorsichtig, als sie, vorn sitzend, mir ihre Hand auflegte und mit ihrer tiefen, erotischen Stimme zuraunte: »Reinhard – I like yourdriving.« Wie oft dieser Ausspruch schon herhalten musste, um gelegentliche Kritik meiner Frau an  einen Fahrkünsten zu kontern…..

Viele jüngere LeserInnen von CARL werden vermutlich noch nie etwas von Abbey Lincoln gehört haben. Besonders für sie habe ich die für mich schönsten Platten von ihr aufgelistet, viele von ihnen mit meinem Lieblingsbassisten Charlie Haden als einen der Begleitmusiker. Über ihn werden wir noch in einem der nächsten Blogs berichten. Lasst Euch in einer ruhigen Stunde einfach auf diese wunderbaren, poetischen Songs ein, vielleicht studiert Ihr sogar die Texte (weitgehend im Netz verfügbar) und genießt. Anspieltip: »Bird alone« auf: »YouGotta Pay the Band«

#JazzCityGT - Blog 04
#JazzCityGT - Blog 04

Abbey Lincoln, eigentlich Anna Marie Gaby Wooldridge (* 6. August 1930 in Chicago, Illinois; † 14. August 2010 in Manhattan, New York City), war eine US-amerikanische Jazzsängerin, Bürgerrechtsaktivistin, Schriftstellerin und Schauspielerin. Von der Barsängerin entwickelte sie sich in den fünfziger Jahren mit ihrer warmen Altstimme zu einer »politisch wachen, sozial bewussten und unprätentiösen« Song-Interpretin, die »die ehrliche Tradition Billie Holidays in einer originellen Weise« fortführte (Down Beat) und die in den neunziger Jahren ein beachtliches Comeback feiern konnte.

Meine Lieblingsplatten:

Max Roach, WeInsist – Freedom Now Suite
Abbey Sings Billie (Vol.1+2)
The World’sFalling Down (u.a. mit Clark Terry)
YouGotta Pay the Band (u.a. mit Stan Getz)
A Turtle’s Dream