Die faszinierende Reise durch die Gütersloher Gospelgeschichte
Der Beginn einer Ära - Josef und die Geburt einer unvergleichlichen Vorweihnachtstradition
Schon am Anfang der Jazzreihe hatte Josef im November 1982 die bahnbrechende Idee, in der Vorweihnachtszeit Gospelkonzerte in der Martin Luther Kirche zu organisieren. Diese Idee erwies sich von Beginn an als Volltreffer und begründete eine über 20 Jahre lang aus Gütersloh nicht mehr wegzudenkenden Tradition, die in der Adventszeit Groß und Klein in Scharen in die Kirche holte und, man kann es kaum glauben, die braven Gütersloher dort z.T. an den Rand der Ekstase brachten.
Bereits das erste Konzert mit Bessie Griffin und ihrem „Tribute to Mahalia Jackson“ war dann innerhalb kürzester Zeit ausverkauft, und in den kommenden Jahren gehörte es für viele Gütersloher Familien in der Vorweihnachtszeit zum festen Ritual, die Kirche zu diesem Anlass zu besuchen. Zwei bemerkenswerte Nebeneffekte hatten die Veranstaltungen: Da immer ausverkauft, erwiesen sie sich für Josef schon bald als eine z.T. erhebliche Einnahmequelle, die Mindereinnahmen der Jazzkonzerte im Jugendzentrum, wo kaum mehr als 150 Plätze zur Verfügung standen, ausgleichen konnten. Wenn man jüngeren Jazzfans heute erzählt, man habe dort quasi Auge in Auge vor Legenden wie Max Roach, Jan Garbarek oder Roy Hargrove gesessen, erntet man oft ungläubige Blicke.
Ohne die Gewinne aus den Kirchenkonzerten wären diese einmaligen Erlebnisse kaum möglich gewesen. Zum anderen sollten die Erfolge schon bald richtungsweisend für Städte in der Nähe werden – Josef wurde zum Trendsetter: Plötzlich gab es auch in Bielefeld, Paderborn oder Münster Gospelkonzerte, die allerdings den Zuspruch zu der Gütersloher Reihe nie schmälern konnten. Es ist hier unmöglich, auf alle rund zwanzig Gruppen und Künstler näher einzugehen, die in der Martin Luther Kirche auftraten. Deswegen nur einige ausgesuchte Erinnerungen:
Nach der berühmten Bessie Griffin zum Auftakt gelang es Josef schon bald darauf, mit den Stars of Faith und den Barrett Sisters die damals wohl angesagtesten Gospelgruppen Amerikas in die Provinz zu holen. Die Barrett Sisters oder „Sweet Sisters Of Zion“, wie sie von ihren Verehrern genannt wurden, sollten dann insgesamt dreimal die Martin Luther Kirche zum Beben bringen.
Ihr Werdegang war in vielerlei Hinsicht typisch: Aufgewachsen im amerikanischen Süden in den dreißiger Jahren zur Zeit der Depression, umgeben von Armut und Krankheit, ging es zunächst ums reine Überleben. Nach Anfängen in Schul- und Kirchenchören wurde ihr Talent von der legendären Dinah Washington erkannt, und nach Auftritten als Solosängerinnen bildeten die Schwestern ein Gesangsensemble, das bis in die späten 90er Jahre hinein die großen amerikanischen Konzertsäle füllte und auch große internationale Erfolge feiern konnte. Ihre Verbundenheit mit Gütersloh und ihren Fans wurde spätestens ab dem zweiten Konzert deutlich.
Ebenfalls große internationale Berühmtheit genossen die Victory Singers, die beim ersten Mal 1991 mit Albertina Walker, beim zweiten Mal 1994 mit Sue Conway zu Gast waren.
Für Josef ist vor allem der unglaubliche Stress nach dem ersten Konzert in Erinnerung geblieben, musste die Gruppe doch gleich am nächsten Tag gegen Mittag in einer der großen Kirchen in Rom vor ca. 4000 Zuhörern auftreten. Es gelang tatsächlich. Für besonders Aufsehen sorgten noch gleich zweimal Five Blind Boys, das eine „Original“ aus Alabama, das andere aus Mississipi. Das sicher anrührendste Erlebnis war das Konzert 1995 mit dem Children Gospel Choir of America. Die Kinder und Jugendlichen im Alter von 9 bis 14 Jahren, die alle aus sozialen Brennpunkten amerikanischer Großstädte stammten, waren für drei Tage in Gütersloh in der Jugendherberge untergebracht, und natürlich fühlte sich Josef auch für sie und ihr Wohlergehen verantwortlich. So holte er sie für einen Nachmittag in sein Jugendzentrum an der Kaiserstraße, wo sie vor allem den Kicker und andere Spieleinrichtungen genossen, und er besorgte ihnen begeistert aufgenommene Geschenke, die er dank großzügiger Sponsoren erworben hatte: große Puppen mit Porzellanköpfen für die Mädchen und Sporttaschen mit Inhalt für die Jungen.
Mit der „legendary Folkbluesgospel“- Sängerin Odetta holte Josef dann 2002 wieder einmal einen echten Superstar (diesmal in die Apostelkirche), der in Amerika und international einen überragenden Ruf genoss: 1930 im tiefen Süden der USA geboren, war sie eine der ersten schwarzen Frauen , die in großen Konzertsälen solo auftrat. 1963 sang sie beim berühmten Marsch auf Washington an der Seite Martin Luther Kings für die Massen. Zahlreiche Jazz-und Popsängerinnen zählten sie zu ihren Vorbildern: Cassandra Wilson, Joan Baez, Tracy Chapman, Janis Joplin… Umso bemerkenswerter, dass Odetta dann noch zweimal nach Gütersloh kam, um im intimen Rahmen des Jugenzentrums aufzutreten. Wenn Josef heute zurückblickt, bedauert er es eigentlich nur, nicht schon einige Jahre früher in Gütersloh gearbeitet zu haben. Dann hätte er nämlich tatsächlich den wohl absolut größten Gospelstar, die von ihm zutiefst bewunderte Mahalia Jackson noch persönlich kennenlernen können, die dort in den siebziger Jahren aufgetreten war.
Die Gospelkonzerte
- 07.11.1982 – Bessie Griffin „Tribute to Mahalia Jackson“
- 16.11.1984 – Lester Bowie Ensemble
- 08.11.1985 – The Stars of Faith
- 28.11.1986 – The Barrett Sisters
- 27.11.1987 – The Sensational Nightingales
- 25.11.1988 – The Barrett Sisters
- 01.12.1989 – The Jonny Thompson Singers
- 07.12.1990 – Ron Ringwood’s Gospel Tour 90
- 13.12.1991 – Albertina Walker & the Victory Singers
- 18.12.1992 – Emmit Powell & the Gospel Elites
- 10.12.1993 – The Five Blind Boys of Alabama
- 11.12.1994 – Sue Conway & the Victory Singers
- 15.12.1995 – The Children Gospel Choir of America
- 01.12.1996 – The Spirit Chorale of Los Angeles
- 06.12.1997 – Former Carla Ward Singers
- 06.12.1998 – The Barrett Sisters
- 05.12.1999 – The Old Tyme Religious Singers
- 02.12.2000 – The Stars of Faith
- 21.12.2001 – The Original Five Blind Boys of Mississipi
- 03.11.2002 – Odetta
- 08.12.2002 – Take 6