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  • 16.05.2024
  • Ausgabe 99
  • RegioCarl

#JazzCityGT Blog 12

Reinhard Fulde Redakteurbild

Reinhard Fulde

Content-Redakteur

Text: Reinhard Fulde Fotos Raimund Vornbäumen

Als Josef 1994 die beiden Saxophonisten Pharoah Sanders und Joshua Redman im Abstand von wenigen Monaten ins Jugendzentrum holte, hätte der Kontrast kaum größer sein können: Hier die damals erst 54jährige, aber aufgrund ihres schlohweißen Haares und langen weißen Bartes viel älter wirkende Jazzikone, deren feierlicher Auftritt mit Fez und im bunten Kaftan geradezu ehrfurchtserregend wirkte, dort der gerade einmal 25jährige, aufstrebende junge Saxophonist , der mit seinen ebenfalls fast noch jugendlichen Mitstreitern locker lässig vor die staunenden Fans im Jugendzentrum trat. Trotz dieses sensationellen Konzertes: Nur Kenner konnten damals schon ahnen, dass jeder einzelne aus dieser Band sich in den Jahrzehnten danach zum absoluten Superstar des Jazz entwickeln sollte.

Pharaoh Sanders wurde bereits 1965 zur Legende, als er zusammen mit fast allen Musiker der damaligen New Yorker Avantgarde ( u.a. Archie Shepp, Freddie Hubbard, John Tchicai) John Coltranes bahnbrechendes, berühmtes Free Jazz-Album »Ascension« aufnahm. Auf dieser tonal völlig freien, inzwischen legendären Aufnahme wurde sein ungeheuer intensives und kraftvolles Zusammenspiel mit seinem »Meister« Coltrane besonders gelobt. Bei vielen Konzerten danach, vielfach auf Plattenaufnahmen dokumentiert, schwang er sich in atemberaubende musikalische Höhen auf. Nach dem Tode Coltranes spielte er noch häufig bei dessen Frau Alice und gründete später eigene Gruppen. Wie so viele der »zornigen jungen Männer« dieser Free Jazz- Phase fand er später durchaus auch zu leiseren, z.T. fast spirituellen Klängen. So hauchte er z.B. wunderbaren Balladen, wie »You don’t know what love is« oder »I want to talk about you« neues Leben ein.

Bereits 1991 zum ersten Mal in Gütersloh, und dann noch einmal 1994 und später 2004 (übrigens immer mit dem begnadeten Pianisten William Henderson), war er, der sonst für Konzertveranstalter als eher unbequem galt, von Josefs rustikalen Charme schnell eingenommen und fühlte sich im intimen Rahmen des Jugendzentrum sehr wohl. Hier erlebten wir mit ihm einige der intensivsten Konzerte der Reihe. Meine Frau vertrat und vertritt bis heute immer offensiv die Ansicht, dass es beim Jazz »Kopf- und „Bauchkonzerte« gibt. Nach dem ersten Konzert von Sanders kam ein Bekannter aufgeregt zu uns: Nun wisse er ganz sicher, was »Bauchkonzerte« seien… Noch 2018, kurz vor seinem Tod, konnten wir Pharoah Sanders in Rotterdam beim NorthSea Jazzfestival erleben: Mit dunkler Sonnenbrille und Käppi mit Schirm nach hinten gedreht, dabei einem immer noch unverwechselbar kraftvollem Ton, wirkte er fast jünger als 27 Jahre zuvor in Gütersloh.

Mit dem Joshua Redman Quartett bewies Josef erstmals einen Riecher für hochqualifizierte junge Talente. Joshua Redman war mit seinen 25 Jahren der älteste, und hatte gerade mit den Topstars Pat Metheny, Charlie Haden und Billy Higgins auf dem Album »Swing« seinen ersten großen Erfolg gefeiert. Der Pianist Brad Mehldau und der Schlagzeuger Brian Blade mit 21 Jahren und der Bassist Christian McBride mit 19 waren kaum den Kinderschuhen entwachsen und schickten sich nun an, die großen Bühnen zu erobern. Heute, dreißig Jahre später, gehören alle vier unbestritten zu den Superstars des Jazz: Bei der jüngsten Leserumfrage 2023 des wohl einflussreichsten JazzMagazines DOWNBEAT wurde Joshua Redman als die Nummer 4 am Tenorsaxophon (nach solchen Ikonen wie Chris Potter, Charles Lloyd und Joe Lovano) geführt. Brad Mehldau ist die Nr.1 am Piano, Brian Blade die Nr.1 am Schlagzeug und bereits seit über einem Jahrzehnt Christian McBride die Nr.1 am Bass. Brad Mehldau und Joshua Redman gehören übrigens zu den ganz wenigen Musikern, die wir nach Josefs Reihe bei Konzerten im neuen Theater noch einmal erleben konnten.

Info

Pharoah Sanders, eigentlich Ferrell Sanders (* 13. Oktober 1940 in Little Rock, Arkansas; † 24. September 2022 in Los Angeles, Kalifornien), war ein amerikanischer Jazz-Musiker, Tenorsaxophonist und Multiinstrumentalist. Den Künstlernamen Pharoah verlieh ihm angeblich Sun Ra, mit dem er in New York Anfang der 1960er Jahre gemeinsam auftrat.

Joshua Redman (* 1. Februar 1969 in Berkeley, Kalifornien) ist ein US-amerikanischer Jazz-Musiker. Bekannt wurde er als Sohn des legendären FreeJazz- Saxophonisten Dewey Redman, langjähriger Partner von Ornette Coleman. Heute gilt er als einer der eigenständigsten, führenden Tenorsaxophonisten. Hier geht es zur Musik auf Spotify von Pharoah Sanders Hier geht es zur Musik auf Spotify Joshua Redman

Plattentips:

John Coltrane: Ascension

Pharoah Sanders:

The Impulse Story – Welcome to Love

Joshua Redman:

Wish – Moodswing – Still Dreaming

 

https://open.spotify.com/intl-de/artist/3JLUCojZaHrX2LaUkSj7Ud

https://open.spotify.com/intl-de/artist/3uaHfXYx9Fh4HjqMbrWn5S