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  • 28.08.2024
  • Ausgabe 102
  • RegioCarl

VON STOCKHOLM BIS NACH HAMMERFEST

Teil 2
Regina Meier zu Verl Redakteurbild

Regina Meier zu Verl

Content-Redakteurin

TEXT: REGINA MEIER ZU VERL FOTOS: MISSION NORDSTERN

In unserer letzten CARL-Ausgabe erzählten wir vom ersten Teil der Reise: Durch die Wälder Schwedens, die Sümpfe Finnlands und die Berge Norwegens machten sich vier junge Abenteurer – Rasmus Becker, Dennie Illner, Christoph Neiske und Dominik Hohmann – mit dem Fahrrad auf den Weg nach Hammerfest am arktischen Meer. Und das in nur zwei Wochen.

Trotz Gegenwind und einem Höhenrekord von 1700 Metern legten die Vier am fünften Tag etwa 150 km zurück. Der Nebel verlieh dem schwedischen Wald einen mystischen Anschein. Unterwegs trafen sie auf österrei­chische Radfahrer, die das Nordkap ansteuerten, jedoch entspannter fuhren und häufige Pausen einlegten. Nach der Fahrt durch kleine Ortschaften erreichten sie Sunds­vall, von wo aus sie eine beeindruckende Aussicht auf die Stadt und die Ostsee genossen. Nach der Überquerung der imposanten Högakustenbron setzte am Nachmittag starker Regen ein. Sie begannen zu zweifeln, ob die Rou­te durch Schweden die beste Entscheidung war. Mücken belästigten sie bei jeder Rast, doch die Geschwindigkeit der Fahrräder schützte sie meist.

Tägliche Herausforde­rungen wie Nässe und Erschöpfung machten die Reise zu einer Willensprobe. Nach Regen kam immer wieder die Sonne, die Optimismus brachte. Hammerfest kam täglich näher, und trotz aller Strapazen blieb der Reiz der Reise bestehen. Beim Erreichen des Polarkreises erleb­ten sie einen seltenen sonnigen Tag, der neue Energie brachte. Auch ohne Elchsichtung im Elchgebiet wurden sie durch ein nächtliches Rentier im Nebel belohnt. Eine gastfreundliche Frau in Südlappland gab ihnen nützliche Tipps. Rasmus, der noch nie eine solche Tour gemacht hatte, zeigte trotz Entbehrungen bemerkenswerte Ausdauer. Die Reise in den hohen Norden war eine echte Prüfung, aber das Abenteuer lohnte sich – auch ohne die ersehnte Elchsichtung.

GESTRANDET IN FINNLAND

Am Morgen des neunten Tages wachten die Vier spät auf. Nach einem kurzen Bad im See machten sie sich auf den Weg. Dominik bemerkte plötzlich ein seltsames Knacken an seinen Pedalen, was auf ein defektes Kugellager hindeutete. Das Problem verschlim­merte sich, die Pedalen wurden immer lockerer. Unterwegs trafen sie wieder auf andere Radreisende, doch das heiße Wetter und ein paar Rentiere am Straßenrand konnten Dominik nicht von seinem Problem ablenken.

 

Kurz nach der finnischen Grenze versagte das Kugellager komplett. Mit dem Fahrrad weiterzufahren war unmöglich, und die nächste Werkstatt lag unerreichbar weit entfernt. Trampen schien die einzige Option für Dominik zu sein, doch ob sein Fahrrad die restlichen 600 km durchhält, war fraglich. Ein vorzeitiges Ende seiner Reise schien unvermeidbar.

PROBLEME SIND DA, UM GELÖST ZU WERDEN

Am nächsten Morgen machte sich Do­minik mit dem provisorisch reparier­ten Fahrrad auf den Weg. Die Notlö­sung hielt bis zum nächsten Dorf, wo das Rad endgültig den Geist aufgab. Der Plan, einen Bus nach Enontekiö zu nehmen, scheiterte, da der Bus nicht kam. Dominik versuchte sein Glück im Supermarkt und suchte nach dem Besitzer eines vor dem Laden geparkten Fahrrads. Nach zähen Verhandlungen – teils aufgrund der Sprachbarriere – tauschte er sein kaputtes Fahrrad gegen das kleine Rad des Besitzers und einen kleinen Geldbetrag. Das Ersatzrad war zwar klein, aber es reichte aus, um die letzten 500 km zu bewältigen. So konnte er die Reise fortsetzen. Unterwegs begegneten sie einem norwegischen Veteranen, der auf dem Weg nach Tromsø war. Er erzählte von den immer seltener werdenden Bären in der Region und den Sami mit ihrer Rentierzucht.

ANKUNFT IN NORWEGEN AN TAG 11

Nach den endlosen Sümpfen Finnlands erreichten die vier Radfahrer endlich Norwe­gen, wo sie nun von dramatischen Klippen, Fjorden und Wasserfällen umgeben waren. Der Tag brachte die bisher schlimmste Mü­ckenplage mit sich, aber auch faszinierende Einblicke in die Kultur der Sami, einem der letzten indigenen Völker Europas. Sie erfuh­ren, dass nur Sami in Norwegen Rentiere züchten dürfen, und begegnen diesen Tieren in großer Zahl, fast so häufig wie Hauskatzen in Deutschland. Die Rentiere scheinen frei umherzulaufen, tragen aber Markierungen, die sie als Eigentum der Sami kennzeichnen. Die Nacht verbringen sie an einem Wasser­fall und überlegen, was die kommenden Tage noch bringen werden, da nun die Etappen mit den meisten Höhenmetern bevorstehen.

ENDSPURT AN TAG 12

Geplagt von Mücken und Morgenkälte brachen die Vier am Wasserfalllager auf. Trotz trockenem Wetter hatten sie mit stetigen Steigungen und starkem Gegenwind zu kämpfen. Auf dem ersten Berg setzte Regen ein, der sie zu einer kurzen Pause zwang. Weiter ging es nach Masi, einem von der Sámi-Kultur geprägten Dorf. Hier fanden sie in einem kleinen Laden, der zugleich ein Gemeinde­zentrum war, Unterschlupf. Ältere Sámi-Frauen, gekleidet in traditioneller Tracht, saßen dort. Sprachliche Barrieren erschwerten die Verständi­gung, doch dank erlernter Wörter auf Schwedisch und Norwegisch gelang ein grober Austausch. Nach einer kurzen Pause und fasziniert von der Sámi-Kultur, setzten sie ihre Reise nach Alta fort. Die Landschaft wurde zunehmend bergiger und wandelte sich von Wäldern zu kargen, moosbe­wachsenen Steinen.

Am Abend erreichten sie Alta und erblickten zum ersten Mal das arktische Meer. Erschöpft und durchnässt ließen sie den Tag bei einem Burger im Diner ausklingen. Die Nachmittagshitze von fast 25°C wich einer arktischen Kälte, die den Aufbruch erschwerte. Es lagen noch einige Kilometer vor ihnen, die sie in eisiger Kälte zurücklegten, um das Tagespensum zu erreichen. Ziel war es, beide Bergpässe zu überwinden, um am nächsten Tag nur noch bergab fahren zu müssen. In zwei Grup­pen kämpften sie sich durch Steigungen von bis zu 18 Prozent. Die Mitternachtssonne half, da einige ohne Licht fuhren. Sie passierten die Baumgren­ze und sahen Restschnee auf den Berghöhen. Rebhühner flogen über die Straße, und Bergseen glänzten trotz Nebels. Gegen 3:00 Uhr erreichte die erste Gruppe das Lager, die zweite folgte eine halbe Stunde später. Die letzten Berge waren bezwungen, und Hammerfest war in Reichweite.

ANKUNFT AN TAG 13

Nach dem harten Tag 12 stand der Endspurt an. Obwohl die Navigation nur Abfahrten anzeigte, ging es auch immer wieder bergauf. Sie durchquerten Täler und Berge, bis sie die norwegischen Fjorde erreichten. An der Küste sahen sie zahlreiche Dörfer und die höchste Rentierdichte der gesamten Reise. Die Landschaft war geprägt von Wasserfällen, Flussschnellen und der Ruhe des arktischen Meeres. Plötzlich tauchte eine Flosse im Wasser auf – ein Schweins­wal und später eine Gruppe Delfine. Ein Glücksmoment, denn viele Einheimische hatten noch nie einen Schweinswal gese­hen. Weiter ging es entlang der nördli­chen Küste, bis sie die Brücke zur Insel Kvaløya erreichten, auf der Hammer­fest liegt. Nur noch zwei Ortschaften trennten sie vom Ziel. Nach einer letzten Pause überquerten sie die Insel und machten Halt am heiligen Stein der Sámi, dem Stalloen. Am Abend erreichten sie Hammerfest. Die Erleichterung war groß, doch das Ende der Reise war noch nicht ganz realisiert.

NEXT STOP HAMMERFEST

Der erste Stopp in Hammerfest war die Eisbärenskulptur am Stadtrand, in deren Nähe sie ihr letztes Lager aufschlugen. Nach einem kurzen Einkauf ließen sie den Abend mit einem Lagerfeuer und einem Besuch in einer Bar ausklingen. Am nächsten Morgen wagten sie einen kurzen Sprung ins arktische Meer, das trotz 25°C an Land nur 10°C hatte. Danach besuchten sie die Stadt, traten der Royal and Ancient Polar Bear Society bei und besichtigten das Wiederaufbaumuseum. Im Rathaus überreichten sie dem Bür­germeister eine Flasche Bohnekamp aus Verl, die sie den ganzen Weg mitgeschleppt hatten. Der Bürgermeister freute sich über die Ehre, dass seine Stadt das Ziel ihrer Reise war. Bei Gesprächen mit Einhei­mischen entdeckten sie viele Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede im Lebensstil. Ham­merfest, mit seinen 8000 Einwohnern, hat eine historische Bedeutung als Hauptstadt des Walfangs und letzter Hafen für Ark­tisexpeditionen. Heute ist die Stadt durch den Gashandel geprägt.

RÜCKFLUG AN TAG 15

Der Rückflug nach Deutschland stand an. Zuerst mussten die Fahrräder flugtauglich ge­macht werden. Sie flogen von Hammerfest, dem kleinsten konventionellen Flughafen der Welt, nach Tromsø. Auf dem Parkplatz bauten sie die Räder auseinander und verpackten sie in Bettlaken. Der Flug in der Propellermaschine bot spektaku­läre Ausblicke auf Norwegen, da sie nie über den Wolken flogen. Der Flug war vergleichbar mit einer Busfahrt, da viele Pendler ihn nutzten. Nach einer Feueralarmunterbrechung am Flughafen in Tromsø ging es weiter nach Düsseldorf. Von dort kämpften sie sich mit dem Schienenersatzver­kehr nach Gütersloh durch. Um 4 Uhr morgens waren sie endlich zu Hause und freuten sich auf ein richtiges Bett und einen Tag Ruhe, bevor der Alltag wieder begann.

»Diese Reise war eine unglaubliche Erfahrung, die nicht für jeden ist, aber sie zeigt, wozu man fähig ist, wenn man den Willen hat.«

Wir vom Carl freuen uns, ein Stück weit mitgereist zu sein und danken Christoph Neiske, Dennie Illner, Dominik Hohmann und Rasmus Be­cker für die eindrucksvollen Bilder und Eindrücke.

Aufwiedersehen!

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