Wir sind CarlMakesMedia
a
  • 30.10.2025
  • Ausgabe 116
  • RegioCarl

CAFE TALK #2

GÜTERSLOH OHREN AUFGEMACHT...
CarlMakesMedia Redakteurbild

CarlMakesMedia

FOTOS UND TEXTE: CARLMAKESMEDIA

Was passiert, wenn man mit außergewöhnlichen Menschen einen Kaffee trinkt und sich mal ungezwungen unterhält? Das haben wir bereits beim ersten CafeTalk mit Peter Bunnemann erlebt - es wird spannend. CaféTalk unser neues Format im Lifestyle Magazin Carl trifft Menschen mit Herz, Haltung und Heimatgefühl – Menschen, die Gütersloh geprägt haben. Wir sprechen mit denen, die was zu erzählen haben. Über ihr Leben. Ihren Weg. Und ihre ganz besondere Verbindung zu unserer Stadt. Kein Smalltalk. Sondern Geschichten, die berühren. Inspirieren. Und zeigen, wie vielfältig Gütersloh wirklich ist. Ein Tisch. Zwei Tassen. Und jede Menge Gesprächsstoff.

Willkommen bei CaféTalk #2 – wo alles zur Sprache kommt. Unser zweiter Talkgast ist kein geringerer als »The Ex-Bürgermeister himself« Nobby Morkes – »The Entertainer schlechthin«. Verlasst Euch drauf, es wird der »Burner«

NORBERT “NOBBY” MORKES, 74 JAHRE ALT, PROMOTER INTERNATIONALER STARS, KONZERTVERANSTALTER, GRÜNDER VON ANNO 1280, GÜTERSLOHER BÜRGERMEISTER VON 2020 BIS 2024.

»Ich wollte schon immer, dass diese Stadt lebt.« Ein Gespräch mit Nobby Morkes über Musik, Macht und Mittelalter.

Anna: Nobby, du bist für viele Gütersloher vor allem als Bürgermeister bekannt – aber dein Weg hat ja viel früher begonnen. Vor allem in der Musik.

Nobby Morkes: Absolut. Musik hat mich mein ganzes Leben begleitet. Ich war bei Bertelsmann in der Ausbildung, hab dann bei der damaligen Ariola im Plattenvertrieb gearbeitet – später bei der Electrola in Köln. Mein Job: International Artist Promotion. Das bedeutete, ich habe Weltstars wie Tina Turner, Pink Floyd, Deep Purple oder Paul McCartney durch Deutschland begleitet, ihre Termine koordiniert und vieles mehr. Ich erinnere mich gut, wie Paul McCartney in meinem Auto rauchen wollte. Ich hab’s ihm verboten – da war er nicht begeistert, aber so bin ich halt. (lacht)

Anna: Und irgendwann hat dich der Weg zurück nach Gütersloh geführt.

Nobby Morkes: Ja, ich wollte das, was ich erlebt habe, auch hier möglich machen. Mein erstes Konzert hab ich in der Aula des städtischen Gymnasiums organisiert – mit der Spencer Davis Group. Das war wild. Englisches Publikum, viel Bier, 6.000 Mark Sachschaden. Aber auch das hat etwas ausgelöst. Später kamen große Namen wie Frank Zappa, AC/DC, Iron Maiden, Black Sabbath – sogar in der alten Eierhalle in Kaunitz.

Anna: Du hast also die Stadt schon früh gerockt.

Morkes: Klar! Gütersloh war in den 70ern und 80ern auf der musikalischen Landkarte. Udo Lindenberg, Manfred Mann, Status Quo – die standen auf Bühnen, die heute keiner mehr kennt. Alles selbst organisiert, auf Brettern von Gerüstbau Böhmer. Heute kaum vorstellbar.

Anna: Später hast du nicht nur Rock gemacht, sondern bist in ganz andere Kulturräume vorgestoßen.

Morkes: Richtig, irgendwann war es die Zeit des Umbruchs – Glasnost, Perestroika. Ich wurde gefragt, ob ich nicht Kulturprogramme mit sowjetischen Künstlern machen möchte. Das habe ich vier Jahre lang gemacht. Vom Marinechor der Schwarzmeerflotte bis zum Designer Slava Zaitsev, dem Modestar von Raissa Gorbatschow. Und ich habe für Bertelsmann Operntalente aus der Sowjetunion gesucht – einfach nach Bauchgefühl. Drei der Künstler kamen tatsächlich ins Finale der »Neuen Stimmen«. Wer hätte das gedacht?

Anna: Später kam dann das weltberühmte Theater Laterna Magica aus Prag dazu.

Morkes: Das war besonders. Wir haben zehn ausverkaufte Vorstellungen in Bielefeld organisiert – und daraus entstand eine langjährige Freundschaft. Ich durfte später die Agenturtätigkeit für den deutschsprachigen Raum übernehmen. Später haben sie sogar bei unserer Hochzeit gespielt – im Spiegelzelt, gemeinsam mit den Dubliners. Aber sie hatten eine Bedingung: keine Zusammenarbeit mehr mit russischen Ensembles – wegen der gewaltsamen Niederschlagung der Samtenen Revolution durch sowjetische Truppen. Das habe ich akzeptiert und beendet.

Anna: Und dann wolltest du sogar ein eigenes Musical-Theater aufbauen – mit Dracula im alten Güterbahnhof?

Morkes: Ja, das war mein Traum. Ich hatte die Rechte für den gesamten deutschsprachigen Raum, einen Investor aus Gütersloh, sogar die Bahn war dabei. Wir wollten das Theater direkt an die Gleise anbinden, mit »Vampirzügen« aus Bremen! Die Pläne standen – aber die Stadtverwaltung hat‘s blockiert. Nach 1,5 Jahren Diskussion haben sich die Investoren verabschiedet. Für mich war das ein Wendepunkt.

Anna: Der Auslöser, selbst politisch aktiv zu werden? Morkes: Genau. Ich wollte zeigen, dass es auch anders geht – und habe den Verein BfGT – Bürger für Gütersloh gegründet. Wir haben von Wahl zu Wahl zugelegt. 2020 wurde ich schließlich Bürgermeister – völlig überraschend, mit klarem Abstand.

Anna: Als Bürgermeister hast du auch deine musikalische Ader nie abgelegt.

Morkes: Nein, natürlich nicht. Meine erste Amtshandlung, war DJs in Town ins Leben zu rufen. Ein neues Format, gegen viel Widerstand. Am Ende hatten wir 20.000 Menschen in der Innenstadt – bis Mitternacht. Die ganze Stadt hat getanzt! Leider wurde das Festival mittlerweile zusammengestutzt. Das ist schade, weil es gezeigt hat, wie viel möglich ist, wenn man jungen Menschen Raum gibt.

Anna: Aber deine Zeit als Bürgermeister war nicht einfach.

Morkes: Nein. Ich war zu naiv, habe geglaubt, man könnte gemeinsam gestalten. Aber Machtgehabe unter den Politikern und Beigeordneten hat blockiert, intrigiert, torpediert, sodass jegliche Initiative zunichte gemacht wurde. Ich habe gemerkt: Du kannst noch so viel wollen – ohne Rückhalt im Rat und in der Verwaltung geht es nicht. Also habe ich mich entschieden, nicht noch einmal zu kandidieren.

Anna: Trotzdem hast du viel bewegt.

Morkes: Das stimmt. Zum Beispiel mit dem »Cityfest – das kennt ja heute keiner mehr. Aber das war wohl die glorreichste Zeit für Gütersloh.

Ich hatte den Auftrag von der Werbegemeinschaft das Fest zu organisieren, und wir hatten Macher in der Stadt: Dieter Winkler von der Sparkasse, Herr Natz von der Tankstelle Fricke, Mario Mutscher und Franz Kiesel von Hertie, Hartwig Fischer – das waren Leute, die wirklich was bewegen wollten. Es sollte nicht einfach ein Stadtfest sein – sondern ein Ort, an dem Geschichten erzählt werden. Es gab Themenwochen mit echten Partnerstädten: Die Berliner Woche, bei der sogar der damalige Bürgermeister Diepgen nach Gütersloh kam. Harald Juhnke fuhr im Oldtimer durch die Stadt, und wir bauten das Brandenburger Tor auf dem Berliner Platz nach. Oder die Belgische Woche: Jean-Marie Pfaff, belgischer Nationaltorwart, stand vor dem Rathaus und machte seine bekannten Späße. Chansonnier Adamo spielte auf dem größten Billardtisch Europas – mitten in der Stadt.

Und in den Schaufenstern: Replikate alter belgischer Meister wie Bruegel, die wir über das belgische Konsulat organisieren konnten. Wir hatten eine Dänische Woche, mit einem echten Wikingerboot auf dem (heute Berliner Platz) – heute undenkbar. Aber die Stadt hat gelebt. Es ging darum, dass sich Menschen begegnen, dass Emotionen entstehen, dass etwas hängenbleibt. Dieses Cityfest war nicht einfach ein Event. Es war ein Gefühl – von Aufbruch, Kreativität, Miteinander.« Und es hat funktioniert, denn es zog bis zu 200.000 Besucher in die Innenstadt.

Anna: Manchmal gab es auch Motorenlärm und der Duft von Benzin lag in der Luft – stimmts Nobby?

Morkes: Ja, denn es gab im Rahmen der Veranstaltung Go-Kartrennen mitten durch die Innenstadt. Die Menschen hatten das Gefühl, sie befinden sich beim Monaco Grand Prix. Firmen-Teams aus Gütersloh und Umgebung fuhren wie bei der Formel 1 vor 20.000 Zuschauern um den Sieg. Da hat natürlich die Stadt gestunken, die Grünen würden heute sicher sofort protestieren. Aber was solls? Es war Leben in der Stadt gewesen. Die Stadt war voller Energie. Und heute? Tot. Es gibt keine Mega-Events mehr. Die Stadtverwaltung ist zu unflexibel – schade.

Anna: Zum Glück gibt’s Anno 1280. Wie kam es dazu?

Morkes: Das fing 2019 klein an – ein mittelalterliches Fest auf dem Krusehof in Isselhorst. Heute ist Anno 1280 eines der größten Mittelalterfeste Deutschlands, mit elf Veranstaltungen im Jahr – zuletzt sogar vor der Kaiserpfalz in Goslar. Jede Veranstaltung bekommt ihre eigene historische Jahreszahl, je nach Ort. In Gütersloh z. B. war es 1280, in Goslar 1290 – zur Verleihung der Stadtrechte.

Anna: Und inzwischen macht das deine Familie weiter?

Morkes: Ja. Während meiner Zeit als Bürgermeister haben Lara und Felix das übernommen – meine beiden Kinder. Jetzt machen wir es gemeinsam weiter. Das gibt mir Kraft und freude an der Zukunft.

Anna: Was machst du zurzeit?

Morkes: Ich finde langsam zu mir zurück. Die Zeit nach dem Bürgermeisteramt war hart – gesundheitlich, seelisch. Aber ich bin wieder da. Die vielen Begegnungen auf der Straße, Menschen, die sagen »Schön, dass Sie wieder da sind« – das tut gut. Ich merke: Ganz falsch kann ich nicht gelegen haben.

Anna: Ist noch mal ein politisches Comeback denkbar?

Morkes: Nein. Es gibt genug andere Baustellen. Ich will das, was ich kann – Kreativität, Organisation, Vision – in andere Bahnen lenken. Anno läuft. Vielleicht kommt noch mal was Neues. Aber Rockkonzerte in Gütersloh? Die Bühne gehört jetzt anderen.

Anna: Nobby, danke für das Gespräch. Es war nicht nur ein Blick zurück, sondern auch ein Fenster nach vorn.

Morkes: Danke Euch. Und denkt dran: Manchmal reicht eine gute Idee, um eine Stadt zum Tanzen zu bringen – so wie Euer Magazin Carl.

Von mir noch ein großes Dankeschön an das Café RinNes aus Gütersloh, dass Inhaberin Nesrin uns so tatkräftig unterstützt und ihre Location für den »Cafe Talk« zur Verfügung stellt.

Anno Events:

https://anno-events.de/