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  • 25.11.2025
  • Ausgabe 117
  • RegioCarl

DIE VILLA GÜTH

WO GESCHICHTE DURCH DIE FENSTER SCHEINT
Regina Meier zu Verl Redakteurbild

Regina Meier zu Verl

Content-Redakteurin

TEXT: REGINA MEIER ZU VERL · FOTOS: URHEBER DIETRICH GÜTH/STADTARCHIV

EIN SPAZIERGANG ENTLANG DER HOHENZOLLERNSTRASSE Wer an einem sonnigen Nachmittag durch die Hohenzollernstraße spaziert, spürt schnell: Diese Straße hat Charakter. Hier stehen Häuser, die mehr erzählen als bloß Architekturgeschichten – sie sind Zeitzeugen eines Güterslohs im Aufbruch. Besonders eindrucksvoll: die Nummer 36, die Villa Güth, ein Schmuckstück der Gründerzeit.

ALS DIE »NEUE REIHE« NOCH WUCHS

Anfang des 19. Jahrhunderts hieß die heutige Hohenzollernstraße noch schlicht »Neue Reihe«. Schon um 1820 entstanden hier die ersten Häuser, 1840 wurde gepflastert. Nach und nach wuchs die Siedlung nach Norden. Zunächst war nur die rechte Seite bebaut – bis zur heutigen Nummer 20 –, dann folgte die linke bis 1857. Später kamen neue Straßen hinzu: die Bismarckund die Roonstraße – Namen, die vom Selbstverständnis jener Zeit erzählen.

EIN HAUS, DAS EINDRUCK MACHT

1882 ließ Konrad Güth hier sein Wohnhaus errichten – stattlich, elegant, mit klarer Handschrift der Gründerzeit. Die weiße Fassade mit Säulen, Stuck und dem Balkon in der ersten Etage wirkt bis heute repräsentativ. Besonders auffällig ist die Bleiverglasung an der linken Seite. Dahinter liegt ein Wintergarten, der sich zum weitläufigen Park öffnet – rund 5.000 Quadratmeter Grün, mit einem kleinen Teehäuschen, das an Sommergesellschaften vergangener Tage erinnert.

Auch im Innern spiegelte sich der Zeitgeist: vier Meter hohe Stuckdecken, Parkett mit Intarsien, dunkles Holz, gedrechselte Möbelbeine, Zierknäufe, Reliefs – jedes Detail zeugte von Geschmack und Wohlstand. 30.000 Taler für den Traum vom Schönen. Für den Bau seines Hauses zahlte Konrad Güth damals 30.000 Taler – nach heutigem Wert rund 1,5 Millionen Euro. Die Villa blieb über Generationen im Familienbesitz. Nur 1945, nach dem Krieg, hielten die amerikanischen Truppen hier kurz Einzug und richteten in den Räumen ein Casino ein. Danach kehrte die Familie zurück – und mit ihr der Geist des Hauses.

Konrad Güth war nicht nur Bauherr, sondern auch Unternehmer. 1887 gründete er gemeinsam mit Wilhelm Wolf das Unternehmen Güth & Wolf. Anfangs wurden dort gewebte Bänder für Jalousien, Stiefel, Bücher und Damenmode hergestellt. Nach dem Ersten Weltkrieg verlagerte man sich auf technische Bänder – und produziert bis heute in Gütersloh.