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  • 25.11.2025
  • Ausgabe 117
  • RegioCarl

CAFE TALK PART 3

GÜTERSLOH OHREN AUFGEMACHT...
CarlMakesMedia Redakteurbild

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FOTOS UND TEXTE: CARLMAKESMEDIA

Willkommen beim dritten CaféTalk – wo alles zur Sprache kommt, wenn man sich mit außergewöhnlichen Menschen auf einen Kaffee trifft und sich mal ungezwungen unterhält. Kein Abklatsch anderer Medien, sondern das Original – emotional, berührend und echt! Unser erster Talkgast war kein Geringerer als Peter Bunnemann himself – exzentrisch, provokativ und unkonventionell. Jemand, der auffällt und seine Umgebung öfter gerne mal schockiert und in Verlegenheit bringt. Zum zweiten CaféTalk musste es einfach »The Ex- Bürgermeister himself« Nobby Morkes sein – »The Entertainer schlechthin«. Ebenfalls eine Person die polarisiert. Der dritte Gast für unsere Talkrunde sollte dann doch mal ganz gegensätzlich sein und in der Beliebtheitsscala nach Möglichkeit ganz oben stehen. Und da kommt nur eine Person in Frage. Maria Unger – die wohl beliebteste Bürgermeisterin ade unserer schönen grünen Stadt.

Maria Unger

  • 73 Jahre alt
  • Ex Bürgermeisterin
  • Powerfrau
  • volksnah
  • Ehrenamtlerin
  • Herzensmensch
  • Mutmacherin

Bereits im Oktober führten wir das Gespräch mit der ehemaligen Bürgermeisterin im Café Rinnes am Dreiecksplatz – über ihren Weg von der Eifel ins Rathaus von Gütersloh, über Verantwortung, Ehrenamt und eine ganz besondere Reise nach New York.

Anna: Frau Unger, gestern jährte sich Ihr offizieller Abschied als Bürgermeisterin zum zehnten Mal. Wenn Sie heute zurückblicken – wie begann eigentlich alles?

Maria Unger: (lacht) Das war alles andere als geplant. Ich bin ein Mädchen aus der Eifel, geboren in Trier, aufgewachsen in Dudeldorf. Nach dem Schulabschluss führte mich mein Berufsweg zur Deutschen Bundesbahn zuerst nach Trier und anschließend nach Mannheim. Mein Mann Manfred studierte dort Informatik, und als er später eine Anstellung bei der Vereinigten Verlagsauslieferung, der VVA, bekam, sind wir nach Gütersloh gezogen – ohne eigentlich zu wissen, was uns hier erwartet. Aber ich mochte die Stadt sofort. Sie hatte etwas Dörfliches, insbesondere in den Ortsteilen, Nachbarschaften funktionierten – das hat mich sofort an meine Heimat erinnert. Hier in Gütersloh wurden dann auch unsere Kinder Carsten und Anke geboren.

Anna: Und trotzdem wurden Sie später eine der bekanntesten Bürgermeisterinnen Ostwestfalens. Wie kam der Einstieg in die Politik?

Maria Unger: (überlegt) Das war eher ein schleichender Prozess. Als junge Mutter habe ich mich Ende der 80er Jahre in Bürgerinitiativen engagiert. Ich erinnere mich noch gut: Unsere Kinder mussten jeden Tag eine stark befahrene Straße überqueren, um zur Schule zu kommen. Eine Ampel gab es nicht. Also gründete ich eine Bürgerinitiative für eine Fußgängerdruckknopfampel an der Spexarder Straße. Wir sammelten Unterschriften, schrieben Briefe an den Stadtrat – der übrigens zustimmte – und irgendwann kam das Landesstraßenbauamt und sagte »Wir bauen die Ampel«. Das war ein Schlüsselmoment. Ich merkte, dass man mit Engagement wirklich etwas bewegen kann. Schon 1982 trat ich in die SPD ein – aus Überzeugung, aber auch, weil ich den Eindruck hatte, dass diese Partei sich für die Menschen vor Ort interessiert. 1989 kandidierte ich erstmals für den Stadtrat. Gewählt wurde ich damals nicht, aber ich kam als sachkundige Bürgerin in den Sport- und später in den Planungsausschuss. 1991 rückte ich dann nach – für eine Kollegin, die Gütersloh verlassen hatte. Das war der Beginn meiner Ratsarbeit.

Anna: Und nur wenige Jahre später standen Sie an der Spitze der Stadt – als erste SPD-Bürgermeisterin nach 42 Jahren.

Maria Unger: Ja, das war 1994. Ich hatte ehrlich gesagt nie geplant, Bürgermeisterin zu werden. Es war Marianne Kohlmeier, damals stellvertretende Bürgermeisterin, die ihr Amt abgeben wollte. Und die Frauen in der SPD – die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischen Frauen – kamen auf mich zu. Sie sagten: »Maria, du kannst das!« Ich habe sechs Wochen überlegt. Familie, Beruf, Verantwortung – das musste gut durchdacht sein. Aber schließlich habe ich zugesagt. Und dann galt für mich: Wenn ich eine Entscheidung treffe, dann stehe ich auch dazu. Damals war die Zeit politisch spannend. Nach Jahrzehnten der CDU-Mehrheit im Rat übernahm erstmals wieder Rot-Grün die Mehrheit. Ich wurde vom Rat gewählt – gegen den sehr erfahrenen und bekannten Kandidaten Gerd Piepenbrock – und war dann Bürgermeisterin in einer damals ca. 95.000 Einwohner-Stadt.

Anna: Wie haben Sie diese ersten Jahre erlebt?

Maria Unger: Es war eine Mischung aus Respekt und großer Freude. »Ich habe mich als Bindeglied zwischen Rat, Verwaltung und Bürger und Bürgerinnen gesehen«. Mir war wichtig, dass Politik greifbar bleibt. Ich wollte präsent sein – bei Vereinen, Schulen, Stadtfesten. Ich glaube, das war der Grund, warum mich viele, auch junge Menschen, mochten. Ich habe mich einfach interessiert. Und natürlich war es eine Zeit großer Veränderungen: Die Stadt wuchs, die Wirtschaft entwickelte sich, die Themen Klima, Bildung und Kultur rückten stärker in den Fokus. 1999 wurden dann die Ämter von Stadtdirektor und Bürgermeisterin zusammengelegt – die sogenannte »Einerspitze«. Das war noch einmal eine große Umstellung, weil plötzlich alle wichtigen Verwaltungsentscheidungen direkt über meinen Tisch gingen.

Anna: Ein Meilenstein Ihrer Amtszeit war sicher auch der Bau des Theaters in Gütersloh.

Maria Unger: Absolut. 2003 gab es zunächst ein Bürgerbegehren/Bürgerentscheid gegen das Projekt. Knapp 18.000 Menschen stimmten mit Nein, nur ca 5.800 mit Ja. Das war Demokratie. Natürlich mussten/haben wir die Entscheidung akzeptiert, zwei Jahre lang ruhen lassen, wie es die Gemeindeordnung vorsieht und dann noch einmal neu diskutiert. Schließlich haben wir das Projekt überarbeitet, Kosten gesenkt, das Konzept angepasst – und 2010 konnten wir das Theater eröffnen. Für mich war das ein Glücksmoment. Es war nicht nur ein Bauwerk, sondern ein Symbol dafür, dass sich Durchhalten und Überzeugung lohnen.

Anna: 2015 endete Ihre Amtszeit nach 21 Jahren. Warum haben Sie aufgehört?

Maria Unger: Ich wollte Platz machen für Jüngere. Natürlich hätte ich weitermachen können, das Alter war kein Hinderungsgrund mehr. Aber ich fand: Nach 21 Jahren ist es gut, wenn neue Ideen kommen. Ich habe meine Entscheidung früh angekündigt, damit die Nachfolge gut vorbereitet werden konnte. Es war ein Abschied mit Wehmut, aber auch mit Dankbarkeit. »Ehrenamt ist kein Ersatz für Arbeit – es ist Herzblut«

Anna: Viele dachten, Sie würden sich danach etwas zurückziehen. Aber das Gegenteil ist der Fall – Sie sind heute in unzähligen Ehrenämtern aktiv.

Maria Unger: (lacht) Ja, das stimmt. Schon Ende 2016 habe ich mit engagierten Bürgerinnen und Bürgern den Förderverein des Klinikums Gütersloh gegründet. Unser Ziel: das Krankenhaus bei Projekten unterstützen, die über das normale Budget hinausgehen. Wir haben inzwischen in den 9 Jahren rund 250.000,00 Euro Spenden gesammelt, z.B. für medizinische Geräte. Das erfüllt mich mit Stolz. Daneben bin ich im Kuratorium der Bürgerstiftung Gütersloh aktiv – übrigens der 1. Bürgerstiftung, die in Deutschland gegründet wurde – stellvertretende Vorsitzende dort, und engagiere mich in der Universitätsgesellschaft Bielefeld, die ja schon vor der Uni selbst gegründet wurde. Wir fördern Wissenschaftsprojekte, bringen Stadt und Hochschule zusammen – das finde ich enorm wichtig für die Region. Ich bin Schirmfrau der Parkinson-Selbsthilfegruppe, unterstütze die Aktion Help Age (»jede Oma zählt«) und bin Mitglied im Inner Wheel-Club Gütersloh, einem Netzwerk engagierter Frauen, das soziale Projekte für Kinder- und Jugendliche fördert. Wir veranstalten Benefizaktionen, verkaufen Selbstgemachtes auf dem von der Bürgerstiftung organisierten Weihnachtsmarkt und unterstützen kulturelle Projekte für Kinder und Jugendliche. Ab dem kommenden Jahr werde ich gemeinsam mit einer Freundin das Präsidentinnenamt für ein Jahr übernehmen.

Anna: Das klingt nach einem vollen Terminkalender. Bleibt da überhaupt Zeit für Privates?

Maria Unger: Doch, unbedingt. Ich verbringe viel Zeit mit meiner Familie. Unser Sohn lebt mit seiner Familie in Stuttgart, unsere Tochter hier in der Nähe. Und natürlich sind die Enkel eine große Freude. In diesem Frühjahr war ich mit meiner Tochter Anke und meiner Enkelin Anna in New York – das war eine unvergessliche Reise. »New York war ein Erlebnis für alle Sinne«

Anna: New York! Was hat Sie dort am meisten beeindruckt?

Maria Unger: Die Freundlichkeit der Menschen. Egal, ob im Aufzug, auf der Straße – es wurde gegrü.t, gelächelt, geholfen. Und diese Energie der Stadt – unglaublich! Wir waren am Times Square, im Michael-Jackson-Musical, in der St. Patrick’s Cathedral am Palmsonntag. Besonders beeindruckt hat mich das One Vanderbilt Building mit der gläsernen Aussichtsplattform. Man steht dort, blickt auf Manhattan – und unter einem ist nur Glas. Ein Moment zwischen Schwindel und Staunen! Natürlich haben wir auch das 9/11-Memorial besucht. Das war sehr bewegend, vor allem für meine Enkelin. Es hat uns alle tief berührt, was dort an Schicksalen sichtbar wird.

Anna: Und trotzdem sind Sie lieber in Gütersloh als in der weiten Welt?

Maria Unger: (lächelt) Ja, ich bin sehr gerne hier. Gütersloh ist meine Heimat geworden. Ich gehe gerne ins Theater, besuche sehr gerne Veranstaltungen in Gütersloh. Und ich pilgere mit einer Freundin jedes Jahr ein Stück auf dem Lutherweg – zuletzt bis Eisenach. Das ist für mich wie Meditation. Reisen muss für mich nicht immer weit sein. »Ich möchte für die Menschen da sein – solange ich kann«

Anna: Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Maria Unger: Gesundheit, natürlich. Und dass ich meine Aufgaben noch eine Weile mit Freude machen kann. Vielleicht werde ich manches reduzieren, aber Ehrenamt, Familie und Freundschaften bleiben mein Mittelpunkt. Ich möchte Zeit mit meinen Enkelkindern verbringen, weiterhin Sport treiben – ich laufe immer noch regelmäßig, mache Online-Zumba bei der VHS Gütersloh Und vielleicht, wer weiß – noch einmal nach Amerika. Aber auch ein Besuch in meiner alten Heimat Dudeldorf steht an. Zum Weihnachtsmarkt zwischen den zwei Stadttoren – das wollte ich immer schon einmal wieder erleben.

Anna: Wenn Sie heute junge Menschen treffen, die sich politisch engagieren wollen – was geben Sie ihnen mit?

Maria Unger: Traut euch! Wartet nicht, bis euch jemand ruft. Wenn man etwas verändern will, muss man den ersten Schritt tun. Ich habe damals nur eine Ampel gefordert – und bin Bürgermeisterin geworden. Das zeigt: Alles beginnt mit einem kleinen, mutigen Anfang.

Ein Leben für Gütersloh – und für die Menschen darin. Maria Unger bleibt auch nach ihrem Abschied aus dem Amt eine feste Größe im gesellschaftlichen Leben der Stadt: engagiert, bodenständig, herzlich – und immer bereit, Verantwortung zu übernehmen.