Betty Carter
#Jazz City GT – Blog 02
Nach Dizzie Gillespie ist Betty Carter der zweite Jazz-Superstar, über den wir in unserem Blog berichten wollen. Alle werden es nicht mehr wissen, aber in den 80er und 90er Jahren gaben sich die Superstars in unserer Stadt die Klinke in die Hand.
In unserer letzten Carl-Ausgabe haben wir bereits eine charmante Geschichte über den sagenhaften Auftritt eines der wohl besten Trompeter aller Zeiten, Dizzy Gillespie, erzählt. Das kam so gut bei den Lesern an, dass wir auch weitere Stories aus dieser denkwürdigen Zeit für Euch schreiben wollen. Betty Carter hat es uns da angetan. Bei ihrem zweiten umjubelten Gastspiel in Gütersloh im Oktober 1993, bei dem unsere Stadt wieder einmal eine der wenigen ausgewählten Spielstätten war, überschlugen sich nicht nur die Kritiker voller Begeisterung. Betty kam diesmal ins ausverkaufte alte Theater (Paul Thöne Halle) mit einer »Supergroup« mit den Ausnahmemusikern Jack deJohnette am Schlagzeug, Dave Holland am Bass und Geri Allen am Piano. Jazz-Kenner wissen, wie hoch das einzuschätzen ist.
»In allerhöchste Höhen geschwungen« betitelte der damalige NW-Redakteur, Thomas Klingebiel, sonst mit Superlativen eher zurückhaltend, seine Rezension in der Tageszeitung und endete: »Ein Jazz-Gipfeltreffen, das als eine der Sternstunden in die Chronik der Jazzreihe des Gütersloher Jugendzentrums eingehen wird.« Auch für mich (Reinhard Fulde) und viele andere Fans war dies einer der künstlerischen Höhepunkte der gesamten Jazzreihe. Als Betty, die uns in der Zwischenzeit richtig ans Herz gewachsen war, dann vier Jahre später mit jungen, aber äußerst talentierten »Lehrlingen« erneut nach Gütersloh kam, hatten wir sogar das Vergnügen, sie am Vorabend des Konzerts mit ihrer Band bei uns zu Hause mit einem »Thanksgiving Dinner« bewirten zu dürfen Es war wie ein Treffen unter langjährigen Freunden, denn Betty Carter zeigte sich völlig frei von Allüren als äußerst zugängliche Künstlerin, die sich mit ihren »boys« von einem leckeren Essen verwöhnen ließ. Das eine oder andere Tröpfchen Wein wurde natürlich auch dazu getrunken. Nach dem Essen entließ sie die Jungs gnädig in die Sofaecke, wo sie sich auf die Schallplatten und Jazzbücher stürzten, während wir mit Betty z.T. fröhliche, aber dennoch intensive Gespräche führten.
Der tolle Abend endete leider mit einer skurrilen Anekdote: Bei der Rückfahrt zum Hotel über die B61 plötzlich Blaulicht- allgemeine Verkehrskontrolle- unser Auto wurde herausgewunken. Schreckensstarre bei Betty Carter, denn sie dachte wohl sofort an die gerade extrem populäre Miles Davis LP »You’re under Arrest!«, in der Miles den Umgang weißer »Cops« mit den »Black People« erstmals thematisierte. Von aktuellen Ereignissen dieser Art wollen wir hier nicht reden. – Und tatsächlich: Nachdem die wirklich freundlichen Polizisten meiner Frau erlaubt hatten, den Gast unserer schönen Stadt zuerst ins Hotel zu bringen und dann ihren Führerschein und die Fahrzeugpapiere, die sie vergessen hatte, vorbeizubringen, brach es aus Betty, immer noch erschrocken, heraus:»Was it because I’m black?!« – Natürlich war das nicht so, aber die Szene blieb uns allen lange im Gedächtnis, machte uns nachdenklich und betroffen. Erfreulich nur, dass die Sache in Gütersloh so gut ausging.
Das Schöne ist, dass Betty Carter am nächsten Abend ein fantastisches Konzert im Jugendzentrum gab, auch wenn sie sich zunächst darüber aufregte, dass ihre Freundin (und Rivalin…) Abbey Lincoln zwei Wochen zuvor im Theater auftreten durfte, sie aber jetzt in diesem kleinen »shed« (Schuppen) singen musste. Zum Glück beruhigte sie sich. Diven sind ja oft wie bockige kleine Kinder und so zog sie nicht ihr vorgesehenes Abendkleid an, sondern marschierte kurzerhand in Straßenbekleidung auf die Bühne. Der Qualität des Konzerts tat das keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil, der kleine, intime Saal sorgte dafür, dass es ein ganz besonderes Erlebnis wurde. Durch das emphatische Publikum versöhnt, schwärmte Betty dann sogar zwischendurch von Josef Honcias und unserer Gastfreundschaft und dem »wunderbaren Thanksgiving Dinner mit Spinattorte, Backschinken, Hühnchen und Kürbis«. Das war uns vor versammelten Zuhörern zwar etwas peinlich, ging aber natürlich runter wie Öl.
In diesem Sinne freuen wir uns auf den nächsten JazzCityGT-Blog mit Miles Davis im Lifestyle Magazin Carl.