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  • 27.02.2025
  • Ausgabe 108
  • RegioCarl

DAS HISTORISCHE

RATHAUS
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FOTOS: STADTARCHIV, STADT GÜTERSLOH, DETLEF GÜTHENKE | TEXT: CARLMAKESMEDIA

1904 Die Gütersloher Urgesteine erinnern sich sicher noch gut: Der Berliner Platz, heute das pulsierende Herz der Stadt, sah einst ganz anders aus. Bevor er zur zentralen Location für den Wochenmarkt und das alte Hertie- Gebäude (später Karstadt, dann Sinn) wurde, stand hier ein prächtiges Bauwerk – das alte Gütersloher Rathaus. Ein Blick in die Geschichtsbücher zeigt, wie es einst entstand und warum es heute nicht mehr existiert.

Historisches – Der Anfang

Die Geschichte beginnt im Jahr 1863. Gütersloh war damals eine aufstrebende Kleinstadt mit rund 4.000 Einwohnern – Zeit für ein repräsentatives Rathaus. Die Baukosten von 12.400 Reichstalern wurden größtenteils aus dem Vermächtnis des verstorbenen Kaufmanns Heinrich Barth finanziert, der testamentarisch festlegte, dass das Rathaus im Stadtzentrum errichtet werden sollte.

 

Als Standort wählte man das Grundstück des Gastwirts Caspar Stock. Mit der Bauleitung betraute man den renommierten Architekten Christian Heyden, der kurz zuvor die Martin-Luther-Kirche (damals noch als »Neue Kirche« bekannt) fertiggestellt hatte. Unter seiner Regie entstand ein repräsentativer Backsteinbau mit markanten Giebeln, der bald das Stadtbild prägte.

Wie die Martin-Luther-Kirche wurde auch das Rathaus im neugotischen Stil errichtet – ein architektonisches Meisterwerk für die damalige Kleinstadt. Besonders beeindruckend war die aufwendig gestaltete Fassade: Zwei markante Rathaustürme verliehen dem Gebäude eine fast majestätische Ausstrahlung, während die doppelläufige Freitreppe den Eingang betonte und Besucher geradezu feierlich ins Innere führte. Die kunstvollen Spitzbogenfenster mit ihren feinen Maßwerkverzierungen unterstrichen den repräsentativen Charakter des Baus. Für das damals noch beschauliche Gütersloh war dieses Rathaus ein Statement – ein Symbol für den wachsenden Wohlstand und das Selbstbewusstsein seiner Bürger.

1936

Mit seiner schlossähnlichen Architektur spiegelte das Gebäude nicht nur den Ehrgeiz der Stadt wider, sondern auch ihre vielfältigen Verwaltungsaufgaben. Hinter den massiven Backsteinmauern waren unter anderem die Stadtverwaltung, das Steueramt, die Polizeibehörde, die Stadtkasse und der Ratssaal untergebracht. Neben Büros und Sitzungssälen beherbergte das Gebäude sogar Wohnräume – sowohl für den Polizeidiener als auch für den Bürgermeisterselbst.

 

Doch mit der Zeit wurde das Rathaus immer wieder den wachsenden Anforderungen der Stadt angepasst. Bei einer umfangreichen Renovierung im Jahr 1909 erhielt es eine neue, noch eindrucksvollere Gestaltung: Die Turmecken wurden mit steinernen Adlern verziert – ein Symbol für Kraft und Weitblick –, und auch die Fenster wurden neu konzipiert.

1960 – Mehr Platz wurde gebraucht

Doch die Stadt entwickelte sich weiter, und das einst stolze Rathaus wurde allmählich zu klein. Schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert wurden einzelne Verwaltungsbehörden in andere Gebäude ausgelagert. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Lage endgültig prekär: Gütersloh wuchs rapide, und das Rathaus konnte den steigenden Anforderungen nicht mehr gerecht werden. Die Räume waren beengt, die Infrastruktur veraltet und auch baulich war das Gebäude nicht mehr im besten Zustand. Schließlich fiel 1963 die Entscheidung: Das historische Rathaus sollte abgerissen werden.

 

Ein weiterer Grund für den Abriss war das veränderte Stadtbild. Die umliegenden Fachwerkhäuser, die einst die historische Kulisse prägten, waren bereits modernen Bauten gewichen. Der Berliner Platz sollte sich weiterentwickeln, und das altehrwürdige Rathaus passte nicht mehr in das Konzept der neuen, funktionalen Stadtplanung. Der Platz sollte zum wirtschaftlichen Zentrum werden – mit dem Hertie-Neubau und einem angrenzenden Parkhaus als Symbol für den Fortschritt.

Bis 1971 blieb das Rathaus noch stehen, doch dann wurde es endgültig dem Erdboden gleichgemacht – und das in gerade einmal fünf Tagen. Ein Gebäude, das über ein Jahrhundert lang das Stadtbild geprägt hatte, verschwand fast über Nacht.

Doch ganz vergessen wurde es nie. Im Jahr 2003 kehrte das alte Wahrzeichen für kurze Zeit zurück – wenn auch nur als Kunstinstallation. Im Rahmen des Stadtwettbewerbs »Ab in die Mitte« wurde eine riesige Stahlkonstruktion aufgestellt, an der großflächige Plakate angebracht waren. Diese zeigten das historische Rathaus in Originalgröße und an seinem ursprünglichen Standort, sodass die Gütersloher noch einmal einen Eindruck davon bekamen, wie majestätisch ihr Rathaus einst war.

Und wer es noch nicht mitbekommen hat: Seit Ende der 60er-Jahren befindet sich das heutige Rathaus direkt am Konrad-Adenauer- Platz und wird seitdem immer wieder modernisiert und erweitert.