FOTOS: DETLEF GÜTHENKE, STADTARCHIV, STADT GÜTERSLOH | TEXT: CARLMAKESMEDIA
Der Kirchplatz wird oft als das romantische Herz von Gütersloh beschrieben – und das völlig zu Recht. Mit seinen gemütlichen Fachwerkhäusern, die malerisch um die Apostelkirche gruppiert sind, zieht er die Blicke auf sich. Auch heute noch ist er ein idyllischer Ort mitten in einer modernen Stadt. Doch dieser Platz ist nicht nur schön, sondern auch der Ursprung Güterslohs. Zum 200. Stadtjubiläum soll er deshalb einmal mehr gewürdigt werden.

Nicht nur die Gütersloher, sondern auch Besucher erfreuen sich daran, dass dieser wundervolle Ort wiederaufgebaut, erhalten und liebevoll gepflegt wurde. Schließlich hatte der Kirchplatz einige Schäden erlitten. Die Apostelkirche wurde im November 1944 durch einen Bombenangriff zerstört. Doch schon 1952 erstrahlte sie nach dem Wiederaufbau erneut.
Eingebettet in das moderne Stadtambiente und grauen Asphalt präsentieren sich die Fachwerkhäuser fast wie Relikte aus einer anderen Zeit. Die dunklen Holzbalken scheinen Geschichten zu flüstern, während im Sommer bunte Geranien die Fenster schmücken. Die vermeintliche Stille hier vermischt sich mit dem fernen Summen der Großstadt. Mitten im Trubel erinnert das Fachwerk an eine Welt, in der die Zeit langsamer verlief – ein stiller Gruß aus der Vergangenheit, der sich tapfer seinen Platz bewahrt.
Die geschichtsträchtige Atmosphäre des Kirchplatzes überrascht immer wieder. So wurden bei Renovierungen in Haus Nr. 11 zahlreiche Relikte entdeckt, die es als das älteste Gebäude am Kirchplatz ausweisen. Seit 1984 steht der gesamte Kirchenring unter Denkmalschutz und bietet eine romantische Oase mitten im Stadtlärm. Besonders zur Weihnachtszeit verwandelt sich der Platz in eine magische Kulisse für den Weihnachtsmarkt an der Apostelkirche.
Das Besondere an den alten Fachwerkhäusern rund um die Kirche – die um 800 als Holzkapelle an diesem Platz gestanden haben könnte – ist ihre einzigartige Bauweise, die Ästhetik und Geschichte vereint. Typisch sind die sichtbaren Holzträger, die ein geometrisches Muster bilden, oft kombiniert mit weiß verputztem Gefach. Die Häuser erzählen von Handwerkskunst, Lebensweise und Kultur der Vergangenheit und strahlen eine warme Gemütlichkeit aus, die durch schiefe Balken, niedrige Türen und knarzende Dielen zusätzlich betont wird.


- Jahrhundert
Auf diesem Foto sind die Hauser 6 bis 9 nach dem Bombenangriff zu sehen. Im Vordergrund die Trummer der Apostelkirche.
Etwas Historisches noch
Bereits 1201 tauchte der Name Gütersloh erstmals als Kirchspiel auf. Im 14. und 15. Jahrhundert wurde es den Bauern gestattet, hier Spieker – Getreidespeicher – zu errichten. Aus diesen Speichern entstanden ab 1600 Wohn- und Geschäftshäuser. Die sogenannten Ackerbürgerhäuser, ein- und zweigeschossige Fachwerkbauten, dienten nicht nur der Lagerung von Getreide. Viele nutzten sie auch als Wochenendhäuschen und trafen sich dort nach dem Kirchgang zum gemeinsamen Kaffee.
Die Apostelkirche und ihr Platz befanden sich oberhalbeiner wichtigen Kreuzung: Hier trafen die Wege nach Herzebrock, Wiedenbrück, Paderborn, Osnabrück und Bielefeld aufeinander. Heute steht an dieser Stelle die Stadtbibliothek. Der Weg verläuft nicht mehr hinter dem Ring, denn 1847 veränderte der Bau der Köln-Mindener Eisenbahn das Bild. Viele Hauser zwischen Kirchstraße und Kirchhof mussten dem neuen Verkehrskonzept weichen.


ca. 1921
Nr. 5 besteht eigentlich aus 2 Speichern, die seit 1822 unter einer Hausnummer geführt werden. Hier war u.a. ein Kolonialwarenhandler ansässig. In Nr. 6 betrieb u.a. Schneidermeister Lohmann sein Geschäft. In Nr. 7 wohnte u.a. ein Garnverkäufer. Das Gebäude wurde ein den 1980er Jahren komplett renoviert.
ca. 1939…
Der Spieker am Alten Kirchplatz 12, welcher Mitte des 18 Jahrhunderts erbaut wurde, diente einst sowohl als Getreidespeicher als auch als Ladenlokal. Heute findet dort die Verwaltung der Stadtstiftung ihren Platz. Neben dem typischen Fachwerkgebäude befindet sich das Geburtshaus des Mitbegründers der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger, Adolph Bermpohl.
Im Haus Nr. 15, einem Fachwerkhaus mit Schieferverkleidung, war lange Zeit die Buchhandlung Tigges heimisch. Später war hier die Apostelweinstube.


Die Häuser …
Die Apostelkirche selbst ist ein zentraler Baustein dieser Geschichte. 1201 wurde die erste Steinkirche errichtet. Nach der Reformation geriet die Kirche ins Zentrum eines Konflikts zwischen Katholiken und Protestanten. Ab 1655 wurde sie von beiden Konfessionen als Simultankirche genutzt. Erst 1890 wurde dieser Zustand beendet, als die St. Pankratius-Kirche -Unter den Ulmen- gebaut wurde.
Auch das Veerhoffhaus (Nr. 2) hat eine spannende Vergangenheit. Es war einst Apotheke, Kolonialwarenladen, Musikalienhandlung und ist seit 1973Sitz des Kunstvereins. Früher war es verputzt, wie ein Foto von 1939 zeigt. Heute präsentiert es sich wieder in seiner vollen Fachwerkpracht.
70er Jahre
Der Spieker am Alten Kirchplatz 12, erbaut Mitte des 18. Jahrhunderts, diente einst als Getreidespeicher und Ladenlokal. Heute beherbergt er die Verwaltung der Stadtstiftung. Gleich nebenan steht das Geburtshaus von Adolph Bermpohl, einem der Mitbegründer der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger.
Ein Spaziergang durch diesen geschichtsträchtigen Ort ist wie eine Reise durch die Zeit – von der Entstehung Güterslohs bis zur modernen Nutzung eines romantischen Kleinods. Passend dazu feiert die Stadt Gütersloh in diesem Jahr ihr 200-jähriges Jubiläum und erinnert mit zahlreichen Veranstaltungen an ihre bewegte Geschichte.
