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  • 25.11.2025
  • Ausgabe 117
  • RegioCarl

DIE HÖLLE VON GRANADA

THE SAZERAC SWINGERS IN ANDALUSIEN
CarlMakesMedia Redakteurbild

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TEXT: MAX ÖSTERSÖTEBIER | FOTOS: SAZERAC SWINGER

Das vielleicht größte Privileg eines Musikers ist die Möglichkeit, durch die Musik und die Auftritte sehr viel reisen zu können. Kulturen, Orte und Menschen kennenzulernen, die einem in dieser Intensität ohne die Türen, die die Musik öffnet, oft verborgen bleiben würden. Und was gibt es Größeres für einen Künstler als in ausverkauften Clubs und Konzertsälen mehrere tausend Kilometer von zu Hause seine eigenen Songs spielen und Menschen damit begeistern zu können?! Das sind ja genau die Erlebnisse, für die man mal als Kind zur Musikschule gegangen ist, für die man seine halbe Jugend mit diszipliniertem Einzelüben verbracht hat.

Wir durften mit The Sazerac Swingers bereits halb Europa bereisen, waren in den USA und auf hoher See. Nun hatten wir jüngst im Oktober das Glück, eine Kurztournee durch Andalusien spielen zu können.

Durch Vermittlung unseres ehemaligen Managers Rolf Schubert aus Köln, der mittlerweile in Andalusien lebt, hatten wir 2023 erstmals eine Einladung in Spaniens höchsten Tempel der Flamenco-Kultur, der „Pena La Plateria“, erhalten. Wir waren seinerzeit überhaupt die erste Jazzband in der 70-jährigen Clubgeschichte. Rolf ist neben Mohammed VI., König von Marokko, der einzige Ausländer, der je in diesen elitären Club aufgenommen wurde, und war entsprechend persönlich glücklich darüber, dass wir offenbar solch einen guten Eindruck hinterließen, dass der Club eine erneute Einladung aussprach. Also hieß es: Auf nach Granada!

Mit an Bord: Die Band um Pianist Hermano Blanco, Posaunist Lars Bechstein, Bassist Daniel Le Van Vo, Schlagzeuger Georg Kirschner, Sänger Fredy Omar und Saxophonist Szymon Paczkowski aus unserer Partnerstadt Grudziadz, den wir über das C-City- Projekt kennengelernt hatten. Dazu hatten wir in der Nähe von Freiburg noch unsere Tourfotografin Mareike Dewitz aufgelesen, die wir einst auf einem Konzert i ihrem Heimatverein, der »Kulturschmiede Südbaden e.V.« in Ettenheim kennengelernt hatten, und unsere Reise in wundervollen Bildern eingefangen hat. Humoristischer Arbeitstitel der Reise und Titel der bandinternen WhatsApp-Chatgruppe: »Die Hölle von Granada« – aufgrund der erwarteten beschwerlichen Anreise mit Tourbus und Anhänger.

Auf dem Hinweg machten wir zunächst nach 24 Stunden Fahrt eine Übernachtungs- und Verpflegungspause auf der Finca des Gütersloher Kulturförderers Michael Frink in L’Ametlla de Mar im Ebrodelta, wo wir erstmals das Meer und angenehme Temperaturen erleben durften.

In Granada angekommen, gab es dann erst einmal ein großes Kulturprogramm. Das arabisch geprägte Granada war im Mittelalter die Kulturmetropole Europas. Rolf Schubert führte uns durchs Weltkulturerbe Albaycin, besorgte uns eine Ehreneinladung zu einem exklusiven Flamenco-Abend und zeigte uns die Basílica »San Juan de Dios«. Wow, da wurde offenbar das halbe Goldvorkommen Südamerikas verbaut! Noch verrückter als das ganze Gold waren für uns nur solche Reliquien wie etwa ein Blutstropfen des Papstes Johannes Paul II. Den hatte wohl der Kammerdiener bei einer Rasurverletzung geistesgegenwärtig aufgelesen und als Reliquie für 3.000 € verkauft… Sachen gibt‘s!

Am nächsten Tag ging es in die Berge. Nach einem Besuch in Rolfs privatem Jazzmuseum in Guajar-Faragüit, inklusive Umtrunk, Buffet aus lokalen Spezialitäten und extensivem Schallplattenhören, ging es dann ins Nachbardorf Guajar-Fondón, wo wir ein Konzert in der »Casa Bar Pilar« spielten. Showtime 23 Uhr, volles Haus, eine wahnsinnige Stimmung, alle Generationen tanzten und feierten zusammen zu unserer Musik bis in die frühen Morgenstunden. Das war sehr cool; warum kann Jazz bei uns nicht so gefeiert werden?! Ein Gast schenkte uns zum Dank noch frisch geerntete Mangos. Super lecker!

Nachdem wir im Sommer letzten Jahres beim Jazzfest in Málaga zweitausend Menschen zum Ausrasten brachten, haben wir viele Fans in der Region und so war es auch kein Problem, einen weiteren Auftritt in Málaga zu organisieren. Genauer gesagt, im »Clarence Jazz Club« in Torremolinos, einem der elegantesten und beeindruckendsten neuen Jazzclubs Spaniens. Auch dort am vierten Tag volles Haus und hoher Besuch: Die spanische Blues-Harp-Legende Joaco Rodriguez kam extra aus seiner Heimat Córdoba angereist, um uns zu treffen und stieg für 2 Songs in unserem Set ein.

Völlig erschöpft, aber glücklich ging es nach der Show nachts noch zurück nach Granada (Hermano Blanco ist ein unverwüstlicher Busfahrer), wo wir dann zum Abschluss unserer Reise das besagte Konzert in der »Pena La Plateria« spielen durften. Mit beim Flamenco unüblichen Standing Ovations wurden wir von den Besuchern verabschiedet. Nachdem wir dann die »heiligen Hallen« des Vereins betreten und sogar einen berühmten Stierkämpfer persönlich kennenlernen durften, der uns den Turm mit der schönsten Aussicht auf die Alhambra, und die Asservatenkammer mit der ersten Gitarre von Paco de Lucía und einer Ehrenmedaille des spanischen Königs zeigte, gab es zum Abschluss ein großes lokaltypisches Essen für uns: Geschmorter Stierschwanz in Rotwein. Dazu ein paar Gläschen Manzanilla (lokaler Sü.wein). Köstlich!

Am nächsten Morgen um 6 Uhr ging es wieder mit unserem Tourbus zurück nach Hause. 31 Stunden später kamen wir glücklich und voller wunderbarer Eindrücke wieder in Gütersloh an. Kurz Wäsche waschen, zuhause guten Tag sagen, und am nächsten Tag schon wieder weiter nach Berlin: 4 Tage Burlesque-Festival, völlige Eskalation, und anschließend direkt schon wieder in die finalen Vorbereitungen für den SAZERAC CLUB in der Klosterpforte Marienfeld. Puh! Kaum Zeit zum Durchatmen. Trotzdem sind wir unendlich dankbar für all das, was unsere Musik uns an Erlebnissen ermöglicht.