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  • 06.09.2023
  • Ausgabe 92
  • RegioCarl

Die Weberei

So ging es 1984 mit der »Alten Weberei« los
Steffen Bönning Redakteurbild

Steffen Bönning

Bürgerkiez-Chef

1984

Die Weberei

In den 80ern beinahe abgerissen, entstand glücklicherweise aus der ehemaligen Weberei Greve & Güth Güterslohs Sozialkultur-Zentrum, das sich zunächst »Die alte Weberei« nannte. Engagierte Menschen schafften es, aus der Industriekulturruine ein Bürgerzentrum entstehen zu lassen - Damals noch mit viel nackter Haut, Ausdruckstanz und Töpferkursen, bildete sich die Säule für die bis heute funktionierende Weberei in Gütersloh.

Engagement und Anpacken waren von Beginn an die tragenden Elemente des Zentrums. Zunächst als Verein gestartet, entstanden die Ursprünge der bis heute existierenden Sparten der Weberei – Gemeinwohl, bürgerschaftliches Engagement, gemeinsames Essen, Trinken und Feiern und vor allem ein niederschwelliges Kulturprogramm für jedermann.
Die Weberei
Die Weberei
Zivis und Ehrenamtliche, die ohne Berufshaftpflicht und Sozialversicherungsnummer mit anpacken, gibt es heute nicht mehr. Auch die Notwendigkeit eines festen Gebäudes, hat sich spätestens durch die Pandemie erübrigt. Sozialkultur ist dort, wo die Menschen, Kulturschaffenden und Akteure sind. Egal, ob in oder vor der Weberei, an der Kultur-Autobühne oder mit Kind oder Gipsbein vor dem Live-Stream. Hauptsache interaktiv, kontrovers und gemeinsam.

Die eigene Jugend in der Weberei, Schaffenslust, Unternehmergeist und eigene Erfahrungen mit dem insolventen Vorgänger, der PariSozial, ermutigten Steffen und Tim Böning vor 10 Jahren, ein eigenes Konzept für die Weberei zu formulieren.

Durch die Mischung aus einer Schnapsidee, Besserwisserei und kostenloser Beratung für die Stadt, entstand schlussendlich der Bürgerkiez. Die Erfahrung verschiedener Unternehmen, Kulturzentren und Veranstaltungen von innen erlebt und gemanagt zu haben, half den neuen Betreiber, die Webereirasch aus der Pleite in ein wieder strahlendes Zentrum für Gütersloh zu verwandeln. Aber auch die Bürgermeinungen und -ideen wurden in einer großen Online-Umfrage und einer Diskussion im Parkbad abgefragt und werden bis heute auf Bürgerstammtischen berücksichtigt.

So lange hat in der 40jährigen Weberei-Geschichte noch niemand durchgehalten: Steffen Böning öffnet mit seinem Team seit 10 Jahren 365 Tage im Jahr die Türen zum heimischen Kulturzentrum. In der Zeit hatte die Weberei über eine Millionen Besucher, über 10.000 Raumnutzungen, viele tausend Konzerte, Lesungen, Shows und andere Veranstaltungen. Zudem ist sie Arbeitgeber für viele hunderte Kulturschaffende, Schüler, Studenten, Techniker, DJs, Freelancer und andere Menschen.

Die Weberei - Steffen Bönning, 10 Jahre Bürgerkiez-Chef, so lange wie noch niemand
Die berühmte Weberei-Brücke
Die Weberei betreibt keine Schönwetter-Kultur. Der Bürgerkiez ist viel mehr als Pizza und Ü30-Party, in den Sommerferien oder an Weihnachten. Unzählige Gruppen, Initiativen, Vereine und Bürger nutzen jeden Tag das Kulturzentrum für ihr bürgerschaftliches Engagement. Daneben bietet die Weberei ein Kurs- und Programmangebot, das von Kinderbasteln, über Seniorenenglisch bis hin zu Yogakursen reicht. Es gibt kaum einen Gütersloher, der noch nicht im Bürgerkiez war.

Die Weberei ist mittlerweile eins der größten Sozialkulturzentren des Landes. Daneben ist sie bundesweit bestens vernetzt. Bürgerkiez-Geschäftsführer Steffen Böning wurde in den Landes- und Bundesvorstand des Verbandes der sozialkulturellen Zentren gewählt und arbeitet mit Häusern aus ganz Deutschlandzusammen. Gut für Gütersloh, denn man muss nicht alles selbst erfinden und kann von anderen lernen. Gemeinsam und mit innovativem Wind von außen, geht vieles einfacher, gerade im manchmal verstaubten Gütersloh.

Die Sozialkultur ist wichtiger denn je. Vor Jahren wurde diese Subkultur häufig als szeniges und buntes Genreangesehen, das man sich leisten kann, wenn man mag. Integration, Corona, Energiekrise, fehlende Sozial- und Freizeiträume, unzureichende Kinderbetreuung u.v.m. erzeugten mehr Rufe nach sozialkulturellen Zentren als nach neuen Opernhäusern. Die Weberei stellt sich dieser Aufgabe und entwickelt mit Universitäten, anderen Zentren und Kommunen Ideen und Konzepte für den kulturellen Kit der Gesellschaft von morgen.

Viele Sozialkultur-Zentren, die häufig auch in alten Bahnhöfen oder Fabrikgebäuden entstanden, existieren nicht mehr. Viele Fördergelder gingen eher in Philharmonien oder Theater. Die Krisen der letzten Jahre verdeutlichten aber, dass es für die Gesellschaft relevanter ist, barrierearme und interaktive Sozialkultur zu stärken, also vielerorts wohlhabenden Senioren noch ihre Theaterticket mit Steuergeldern zu subventionieren. Die Weberei in Gütersloh hat sich passend gewandelt und der Bürgerkiez hat in den letzten 10 Jahren aus einem insolventen und heruntergewirtschafteten Laden eine erfolgreiche und breit ausgestellte Institution entwickelt. »Krisen können wir«, sagt Bürgerkiez-Chef Steffen Böning gerne.

Die Weberei - Fest der Nachbarn
Die Weberei - Open Air Kino
Die Weberei wäre nicht so erfolgreich, wenn sie im eigenen Saft schmoren würde. Neben dem Netzwerk der Führungskräfte sind es immer wieder neue Ideen aus dem Programm- und Sozialbereich, die den Bürgerkiez einzigartig und innovativ machen. Ging es vor Jahren eher um den Proberaum für die Theatergruppe, ist heute viel mehr das niedrigschwellige Zusammenbringender Menschen der Schlüssel zum Erfolg. Engagierte brauchen ein kreatives Umfeld, Künstlerbrauchen ein Publikum und Kultur interessierte brauchen bezahlbare Konzerte, Lesungen und Shows. Ob das im Garten, auf dem Dach oder auf dem Parkplatz ist, ist irrelevant. Sozialkultur ist dabei der Gatekeeper und Zusammenbringer.
Die Weberei – das bedeutet 365 Tage im Jahr buntes Programm. Menschen, dies ich mit der Sozialkultur nicht auskennen, denken dabei oft an Skater, Sprayer und Hip Hopper. Dabei sind diese in Freizeit- und Sportstätten oder Musikschulen häufig viel mehr zuhause. Sozialkultur ist für jeden: Kids im Kindertheater, Freunde beim Kneipenquiz, Partypeople auf der Zappelfete, Aktive beim Yoga oder Capoeira oder Senioren beim Englischkurs oder Stuhltanz.

Es geht bei der Sozialkultur auch nicht primär darum, lokale Künstler zu fördern –das ist die Aufgabe des Kulturamtes. Es geht vielmehr um die Menschen, die als Gäste und Besucherin der Weberei ihr persönliches Programm finden. Egal, ob sie eine Aktionswoche für das Klima organisieren wollen oder einen tollen Zauberer oder Musiker sehen möchten.

Die Weberei - Konzerte
Die Weberei - Restident-DJ Markus Weismüller heizt den Gästen ein
Die Weberei steht wie kein anderes Kulturhaus für interaktive Sozialkultur. Frontalkultur, also sich 90 Minuten von einem Blockbuster oder Shakespeare-Theaterstückberieseln zu lassen und dann nach Hause zu gehen, ist nicht das Konzept des Bürgerkiezes. Dort wird vor einer Lesung gemeinsam gegessen und danach vielleicht die Initiativegegründet, die die nächste Autorin organisiert.
Da so gut wie jeder Gütersloher schonmal in der Weberei war und seine eigenen Geschichtenberichten kann, hat natürlich auch jeder seine Erfahrungen, Meinungen und Ansichten. »Nur, weil man mal zuhause ein Bier gezapft hat und eine Pizza zubereitet hat, kann man noch lange kein Bistro oder einen Club managen«, betont Weberei-Gastronomie-Chef Andreas Oehme, der auch Erfahrungen mit Kulturgastronomi ein Herford und Bielefeld einbringt. Trotzdem ist natürlich jeder konstruktive Hinweis willkommen, wie Dinge besser laufen können.
Die Weberei - Böning, Quilitz, Prange und Brausepöter stoßen auf die Webrei an
Die Weberei - Julianna hat schon in der Weberei ihre Ausbildung gemacht und kümmert sich um die Bistrogäst
Die Weberei erhält einen überschaubaren Anteil der Gütersloher Kulturförderung und zahlt davon noch Miete für das historische Gebäude, das sie unterhält und pflegt, an die Stadt zurück. Das Weberei-Team ist stolz, mit einer im Bundesschnitt extremhohen Eigenfinanzierungsquote unter der Leitung von Jana Felmetso umfangreiche Programmangebote machen zu können. Bezogen auf Besucher und Geschäftsvolumen ist die Weberei die größte Kulturinstitution der Region Der Bürgerkiez betont immer wieder, dass Gütersloh seine Stärke in der Kultur häufig unter Wertverkauft. Grandiose Initiativen von Dreiecksplatz über Wapel- und Parkbad bis zum Verkehrsverein bilden gemeinsam mit den großen Spielern Weberei und Kulturräumen und vielen anderen ein absolut starkes Alleinstellungsmerkmal für den Standort Gütersloh.