TEXT: REGINA MEIER ZU VERL | FOTOS: REINHARD KLESSMANN
Es war eines dieser Gespräche, die irgendwo zwischen Alltagsroutine und Fernweh aufblitzen: Zwei Freunde, beide frisch im Ruhestand, lehnen sich auf einer Bank am Wegesrand zurück, blicken über Felder, und plötzlich steht sie im Raum – diese verrückte, verlockende Idee.

»Sizilien – mit dem Rad!«
Nicht mit dem Auto, nicht mit dem Zug. Und schon gar nicht pauschal. Wenn schon, dann richtig: Mit Muskelkraft, mit Wind im Gesicht, mit dem Gefühl, jeden einzelnen Kilometer zu erleben.
So begann 2004 ein Jugendtraum, der sich einfach nicht mehr abschütteln ließ, und dessen Erinnerung bis heute nachwirkt. Die Gedanken wurden konkreter, die Pläne wuchsen. Was anfangs wie eine Spinnerei klang, entwickelte plötzlich Ernst – und Vorfreude. Neue Räder mussten her, natürlich tourentauglich, mit allem Drum und Dran. Und als Klaus Heinemann und Reinhard Klessmann schließlich mit ihren beladenen Drahteseln dastanden, war klar: Der Traum hatte Räder bekommen.
ZWEI MÄNNER, ZWEI RÄDER, EIN TRAUM
Zwei Männer, beide im Ruhestand, ein gemeinsamer Traum: Sizilien mit dem Fahrrad umrunden. Kein Pauschalurlaub, kein Kreuzfahrtschiff, sondern Muskelkraft, Wind und Wetter. Im Frühjahr 2005 wurde aus der Idee Wirklichkeit. Damals waren die beiden 63 und 64 Jahre alt. Schon die Anreise hatte es in sich: Die Räder im Flieger, das Gepäck auf ein Minimum reduziert. Statt Palermo hieß der erste Stopp wegen eines Unwetters: Trapani. Von dort ging’s mit dem Bus – Räder im Mittelgang, die Radler am Boden sitzend – zurück in die Hauptstadt. Der Empfang: stürmisch, nass, abenteuerlich. Doch Aufgeben kam nicht in Frage.


Trotz durchweichter Kleidung und improvisierter Regenschutzmaßnahmen (Plastiktüten über den Schuhen!), führte die Tour bald durch archäologische Stätten, blühende Landschaften und windgepeitschte Küstenstra.en. Die Tage begannen oft mit lauwarmem Kaffee aus Plastikbechern, endeten aber mit Pasta auf dem Campingkocher oder frischem Fisch in kleinen Lokalen.
Nicht immer war der Weg leicht: steile Anstiege, Schiebepassagen, ruppige Unterkünfte und ein unglücklicher Zusammenstoß zwischen Lenker und Nasenbein gehörten ebenso dazu wie das Kochen von Tütensuppe am Hafen oder das Ziehen der Räder über eine Feuerleiter ins B&B. Aber es waren genau diese kleinen Unwägbarkeiten, die die Reise so besonders machten.


Zwischendurch blieb Zeit für Ruhetage, Besichtigungen antiker Tempelanlagen und spontane Begegnungen mit freundlichen Sizilianern – inklusive Glückwünschen zur Papstwahl eines deutschen Landsmannes. Die Tour führte bis auf die Liparischen Inseln, mit atemberaubenden Blicken auf den Ätna, kurvenreichen Abfahrten und dem guten Gefühl, ein echtes Abenteuer zu erleben. Jetzt, 20 Jahre nach dieser Tour, erinnern sich beide noch gern an ihre Reise.
Die Rückreise verlief beinahe reibungslos. Nur das Wetter hätte zum Schluss ein wenig mehr sizilianischen Charme zeigen dürfen. Doch das konnte die Bilanz nicht trüben: Eine Reise voller Wind, Würze und wunderbarer Erinnerungen.


REISENDE:
Reinhard Klessmann & Klaus Heinemann, beide im Ruhestand, damals 63 und 64 Jahre alt – aber keineswegs im Lehnstuhlmodus.
REISEZIEL:
Einmal rund um Sizilien – per Fahrrad, mit Gepäck, Zelt und jeder Menge Neugier.
DAUER:
20 Tage im April 2005
HERAUSFORDERUNGEN:
Regen, Gegenwind, geschlossene Campingplätze, steile Anstiege – und eine Begegnung zwischen Lenker und Nase.
HIGHLIGHTS:
Tempel von Selinunt, Picknick mit frischen Gambas, Blick auf den Ätna, spontane Begegnungen mit Sizilianern – und das Gefühl, etwas Großes geschafft zu haben.
FAZIT:
»Wir wollten keinen Urlaub. Wir wollten ein Abenteuer.« – Und das haben sie bekommen.
