Text: Reinhard Fulde | Fotos Raimund Vornbäumen
Ein großes Dankeschön an den Fotografen Raimund Vornbäumen für diese fantastischen Bilder, die er in der Jazz-City Zeit für die Neue Westfälische eingefangen hat. Und an Reinhard Fulde, der uns mit seinen Texten in die vergangene Zeit eintauchen lässt.

Dave Brubeck
Im Oktober 1999 gab wieder einmal eine der letzten noch lebenden Legenden des Jazz ihre Visitenkarte in Gütersloh ab, und wieder einmal konnten sowohl die älteren Jazzfans in Nostalgie schwelgen als auch interessierte Jüngere ihre Neugier befriedigen. Man muss kein Jazzfan sein, um auch heute noch die ersten Takte einige der Ohrwürmer, komponiert entweder von Dave Brubeck selbst oder seinem Altsaxophonisten Paul Desmond, sofort zu erkennen und mitzuklopfen: »Take Five« oder »Blue Rondo a la Turck« erlangten Weltruhm, ihre verzwickten 6/4, 7/4 oder 9/8 Takte wurden zum Markenzeichen und machten besonders auch den Drummer Joe Morello, der diese Takte scheinbar mühelos halten konnte, bei Experten weltberühmt. »Take Five« war die erste Jazz Single Aufnahme, die sich über eine Million mal verkaufte.
Die Ehrungen lassen sich kaum auf einer Seite aufzählen, genannt seien nur: Grammy – Lifetime Achievement Award (1996), National Medal of the Arts (1994), Downbeat Hall of Fame (1994), zahlreiche Ehrendoktorwürden, etc. Nach seinem Musikstudium, u.a. bei dem berühmten französischen Komponisten Darius Milhaud, lernte Brubeck Cal Tjader und Paul Desmond kennen, die später wichtige Mitglieder seiner Gruppen werden sollten. Das 1951 gegründete Dave Brubeck Quartet mit Paul Desmond am Altsaxophon wurde zur legendären Jazzcombo, welche den »West Coast Sound« in alle Welt trug.


In den fünfziger Jahren war Brubecks Popularität so groß, dass er in »package shows« zusammen mit den Jazzgrößen Duke Ellington, Charlie Parker, Dizzie Gillespie, Stan Getz und Gerry Mulligan auftrat. 1954 zierte sein Photo das Titelblatt von TIME. Als Botschafter Amerikas tourte er weltweit, u.a. auch bis hinter den »eisernen Vorhang«. Ohnehin stark von der klassischen Musik beeinflusst, kombinierte er in späteren Jahren Jazz und Klassik, u.a. mit Leonard Bernstein und den New Yorker Philharmonikern. Seinen 75. Geburtstag feierte er mit einer Aufführung mit dem London Symphony Orchestra. Alle amerikanischen, zahlreiche ausländische Präsidenten sowie Könige, Staatsoberhäupter und der Papst waren schon Gäste seiner Konzerte.
Auch mit 79 Jahren ging Dave Brubeck noch weltweit auf Tour, und so konnte Josef dank seiner guten Beziehungen ihn auch für einen Auftritt mit seinem Quartett in Gütersloh gewinnen. Im relativ intimen Rahmen der kleinen Stadthalle sollte es ein wunderbares Konzert werden. Feierliche Stimmung von Beginn an: Natürlich traten die Musiker im gewohnten schwarzen Smoking auf die Bühne, der ehrwürdige Graukopf Dave Brubeck war sichtlich zufrieden mit dem Gütersloher Steinway Flügel, und spätestens mit den ersten Takten von »Take Five« war Gänsehaut pur angesagt – mal wieder eine Legende hautnah.


Dave Brubecks »Adventures in Time« war die erste Jazzplatte, die ich für meinen neuen Lenco B55 Plattenspieler Anfang der 70er Jahre erwarb. Und dennoch rückte diese Musik dann für viele Jahre bei mir persönlich in den Hintergrund, gab es doch mit Miles, Coltrane, Monk, Rollins u.v.a. für mich Interessanteres zu entdecken. Zurück kam ich dann sehr viel später, als ich »Time Out« zum ersten Mal bewusst hörte und ich Brubecks Saxophonist Paul Desmond vor allem durch seine Aufnahmen mit meinem Lieblingsgitarristen Jim Hall wieder »entdeckte«. Die Platte »Easy Living« gehört bis heute zu meinen Aufnahmen für die einsame Insel. Hört unbedingt mal rein!
Plattentips:
Jazz in Oberlin
Time Out
The White House Sessions
(mit Tony Bennett)
Paul Desmond, Easy Living


Info
David Warren »Dave« Brubeck (* 6. Dezember 1920 in Concord, Kalifornien; † 5. Dezember 2012 in Norwalk, Connecticut) war ein US-amerikanischer Jazzpianist, Komponist und Bandleader. Er leitete mit seinem Quartett eine der langlebigsten und erfolgreichsten Combos des Modern Jazz und eroberte dem Jazz mit der intellektuellen Mittelschicht ein neues Publikum. In seinen Stücken verband er Jazz sowohl mit europäischer Konzertmusik als auch mit außereuropäischer Musik.