TEXT: REGINA MEIER ZU VERL | FOTOS: MATTHIAS KIRCHHOFF & ANDREAS FRÜCHT
Wenn Andreas Frücht von seinem Hobby erzählt, legt sich ein Leuchten in seine Augen. Der Fotograf der Neuen Westfälischen ist eigentlich gewohnt, Menschen ins rechte Licht zu rücken – »am liebsten Menschen, aber gerne auch schöne Architektur«, wie er sagt. Doch kaum ist von Schiffen die Rede, präziser: von Schiffsmodellen, driftet er in eine andere Welt ab.

Seit fast fünf Jahrzehnten baut Frücht Schiffsmodelle. Angefangen hat alles als Jugendlicher, in einem verregneten Urlaub auf Texel, als er mit seinem Vater ein Flugzeug zusammengeklebt hat. Wenig später sieht er in einem Spielwarenladen den Karton einer spanischen Galeone und die Passion begann.
VON DER GALEONE ZUM KRIEGSSCHIFF
Zunächst waren es die barocken Formen hölzerner Segelschiffe, die ihn fesselten. Bedingt durch eine Holz-Stauballergie wechselte er zu Kunststoff und Metall. Seitdem baut er Kriegsschiffe, vor allem aus der Zeit vor und während des Ersten Weltkriegs. Dass diese Schiffe einen bestimmten Zweck dienten, ist ihm natürlich bewusst. Hier geht es aber um Modellbau und für ihn zählt ausschließlich ihre Ästhetik. Manche Schiffe sind so schön, dass sie fast wie Skulpturen wirken.


DETAILARBEIT – ZWISCHEN ZAHNSEIDE UND ZARENSIEGEL
Ob Segelschiff aus dem 17. Jahrhundert oder Kriegsschiff der Kaiserzeit: Frücht baut Modelle, die mit ihrer Detailtreue verblüffen. Viele seiner Werke entstehen im Maßstab 1:350 – so klein, dass für die Takelage Angelschnur oder gar Kupferdrähte von nur 0,016 Millimeter Stärke nötig sind. Das ist so filigran, das man es mit bloßem Auge fast nicht mehr sehen kann. Menschliche Haare sind im Schnitt 0,04 bis 0,1 Millimeter dick.
Auch ungewöhnliche Materialien finden den Weg in seine Werkstatt. Für die Torpedoschutznetze eines Kriegsschiffs greift er zu grau gefärbter Zahnseide – ein Kniff, der täuschend echt wirkt. Darauf muss man erstmal kommen! Und wo ein Plastikteil zu grob erscheint, ersetzt er es kurzerhand: Ein zaristisches Wappen am Bug eines Schiffes entstand so aus einem Knopf einer Trachtenjacke. Was auf den ersten Blick nach Bastelkiste klingt, wird in den Händen von Andreas Frücht zu großer Kunst. Und das mit Präzision, Geduld und Kreativität gleichermaßen.


VOM BAUSATZ ZUR ILLUSION
Die Grundlage bilden neben Eigenbau auch handelsübliche Bausätze. Doch erst mit zusätzlichen Ätzteilen aus Metall und viel Geduld verwandeln sich die Schiffe in täuschend echte Miniaturen. »Ein Bausatz alleine würde an einem Wochenende fertig werden«, sagt Andreas. Aber die Kunst liegt im Verfeinern und das erfordert Geduld, eine ruhige Hand und mehrere Monate Zeit.
Dabei verschwimmen die Grenzen zwischen Handwerk und Fotografie. Denn der Fotograf Frücht inszeniert seine Modelle so, dass sie auf historischen Aufnahmen kaum von den Originalen zu unterscheiden sind. Sein ganzer Stolz: das Schlachtschiff Viribus Unitis, eingefügt in ein historisches Schwarz/Weiß-Foto des Hafens von Malta. »Erst auf den zweiten Blick erkennt man, dass es eine Montage ist.« Wir vom Carl können das nur bestätigen – einfach unglaublich, wie echt und beeindruckend das aussieht!


GROSSE WIRKUNG – KLEINE MASSSTÄBE
Ob in Vitrinen oder auf Ausstellungen: Die Modelle ziehen Aufmerksamkeit auf sich. Große Maßstäbe beeindrucken sofort, kleine beeindrucken durch ihre Finesse. Andrea Frücht erzählt uns voller Faszination, dass ein großes Schiff im Grunde dekorativ sei, aber die kleinen Maßstäbe sind die eigentlichen Highlights und Herausforderungen.
Eines wird deutlich: Schiffsmodellbau ist mehr als ein Zeitvertreib. Es ist die Kunst, Geschichte im Maßstab zu bewahren – mit ruhiger Hand, wachem Blick und einer Portion Einfallsreichtum.
Man vergisst fast, dass hinter all den winzigen Schornsteinen, Drähten und Netzen eigentlich ein hauptberuflicher Fotograf steckt – einer, der nicht nur Modelle baut, sondern Geschichten im Miniaturformat entstehen lässt, so detailreich, dass sie wie große Bilder wirken.


Wir vom CARL sind jedenfalls begeistert und können uns nicht sattsehen an diesen wunderbaren Schiffsmodellen, die mit Liebe zum Detail erschaffen, aber auch handwerklichem Geschick in Szene gesetzt werden. Wir sind davon überzeugt, dass es Euch, unseren Lesern, ebenfalls so ergehen wird.









